Meinung

Zum Wahlprogramm der SPD

Zum Wahlprogramm der SPD. Von Dr. Rüdiger Werner

Dr. Rüdiger Werner
Dr. Rüdiger Werner

Dr. Rüdiger Werner
13.01.2011
Liebe SPD,
nach einer Meldung in der OP habe ich mir mit Interesse Euer Wahlprogramm zu Gemüte geführt. Nun bin ich so verwundert, dass ich meine Gedanken dazu in einem Blog ausdrücken muss.
Es geht um die Kommunalwahl in Rödermark, wir treten an, um unsere Heimatstadt in den nächsten 5 Jahren zu vertreten, die riesigen vorhandenen Probleme zu lösen, den letzten Rest Gestaltungsmöglichkeiten auszunutzen und die Kommune in einer noch zu definierenden Art und Weise voran zu bringen. Es geht also um Rödermark, um die konkrete Probleme und Aufgaben der hier vor Ort, um Ideen und Vorschläge, was in den nächsten Jahren verändert werden muss, wo man in Rödermark Schwerpunkte setzen will und was hinten anstehen muss. Es geht nicht um Oberursel, Melsungen oder Hintertupfingen. Und dann lese ich euer Programm und lese nur Allgemeines – Aussagen und Absichtserklärungen, die so auf 90 % der deutschen Kommunen zutreffen würden. Völlig austauschbar! Das könnte mit wenigen Änderungen zu einem SPD-Programm jeder beliebigen Kommune werden. Habt ihr irgendwo abgeschrieben? Wo sind die konkreten Ziele? Was genau wollt Ihr ändern? Habt ihr Angst, dem Wähler mitzuteilen, was die SPD will? Oder habt ihr gar keine konkreten Vorstellungen und Ideen? Ich muss Euch sagen, ich bin richtig enttäuscht.
In der Offenbach-Post steht: „An die erste Stelle hat die SPD die Finanzen gestellt.“ Und im Wahlprogramm heißt es: „Unabhängig hiervon müssen die Hausaufgaben vor Ort erledigt werden.“ Wie sehen diese aus? Glaubt Ihr eigentlich selbst, dass ihr hierzu die richtige Partei seit? Wenn euch zur Finanzlage der Stadt (über 10 Millionen € Defizit pro Jahr) nichts anderes einfällt, als mehr Gelder von Land und Bund zu fordern, das Ihr dann wieder für neue Sozialgeschenke ausgebt – na dann gute Nacht! Wo sollen denn Land und Bund die Gelder hernehmen? Liegt nicht der Schuldenstand eines jeden Einwohners von Rödermark beim Bund bei 21.000 €, beim Land Hessen bei 6.420 € und beim Kreis Offenbach bei etwa 2.450 €? Geht man für Rödermark von Gesamtverbindlichkeiten von rund 60 Mill. € aus, wären das aktuell etwa 2.150 € pro Person. Bei diesen Horrordaten weiteres Geld von Land und Bund zu fordern, mag sich zwar gut anhören, ist aber alles andere als zielführend.
Ihr sprecht vom „Aufbau einer neuen Finanzarchitektur“ und meint damit, die Schulden an anderer Stelle zu machen. Damit man in Rödermark weiterhin das Geld mit vollen Händen ausgeben kann. Dabei ist jedem logisch denkendem Bürger (und mittlerweile sogar der CDU Rödermark) klar, dass man, wenn man knapp doppelt so viel ausgibt wie man einnimmt (Situation von Rödermark in den Jahren 2009–2011), man dieses Defizit nicht allein auf der Einnahmenseite bekämpfen kann. Der entscheidende Faktor ist die Ausgabenseite. Rödermark lebt über seine Verhältnisse, Hessen lebt über seine Verhältnisse, Deutschland lebt über seine Verhältnisse. Wer die öffentlichen Haushalte wirklich sanieren will, muss hier ansetzen. Das bedeutet Verzicht, Abbau von Sozialleistungen, harte Einschnitte in liebgewonnene Errungenschaften. Klar will das keiner und Ihr schon gar nicht. Es ist in meinen Augen aber alternativlos.
Wo gibt Rödermark Geld aus? Da ist zum einen der große Punkt Kinderbetreuung: Kleinkindgrippen, Kindertagesstätten, Horte. Mehr als die Hälfte der städtischen Mitarbeiter sind in diesen Einrichtungen beschäftigt, über 5 Mill. € Kosten entstehen der Stadt. Es folgt mit 4,2 Mill. € der Bereich Kultur, Vereine, Ehrenamt. Hier enthalten ist die hohe Leasingrate der Kulturhalle, der Betrieb der Sportstätten, einschließlich 400.000 € für das Badehaus, die Büchereien sowie die direkte Vereinsförderung. Der Straßenbau (besser: die Straßensanierung) steht mit rund 2,5 Mill. € in den Büchern. Der Brandschutz kostet die Stadt jährlich rund 1 Mill. €, ebenso teuer ist der Bereich Buchhaltung/Finanzverwaltung i.w.S. Rund 500.000 € kostet die städtische Jugendarbeit, jeweils 450.000 € die Landschatzpflege, die Seniorenarbeit und die Unterstützung der parlamentarischen Arbeit, rund 1,6 Mill. € verschlingt die allgemeine Stadtverwaltung einschließlich Standesamt, rund 500.000 € gehen für Stadtplanung, Marketing und Wirtschaftsförderung drauf, die restlichen Posten belasten den Stadthaushalt jährlich mit 1,5 Mill. €.
Wenn man den Haushalt nur mit Kürzungen ausgleichen will, muss die Hälfte davon gestrichen werden. Das ist unrealistisch. Sehe ich ein. Sich aber hinzustellen, wie es Ihr von der SPD macht, und sagt, man stelle die Finanzen an die erste Stelle und dann bei jedem der genannten Punkte nicht nur sagt, das ist eine wichtige Aufgabe, auf die man nicht verzichten will, sondern sogar vor hat sie auszubauen, hat mit seriöser Politik in meinen Augen nichts mehr zu tun.
Wo wollt Ihr denn sparen? Kultur ist wichtig, Kinderbetreuung sowieso, die Jugendarbeit muss gestärkt werden, der Brandschutz auch, es soll mehr Radwege geben, es soll barrierefrei ausgebaut werden, der Zustand der Straßen muss verbessert werden, die Landschaftspflege auch, ein Stadtbus soll eingeführt werden.
Das Tolle daran ist, in den meisten Punkten muss ich euch sogar zustimmen. Ja, diese Dinge sind wichtig und gehören zu den kommunalen Aufgaben und wenn die Mittel da wären, würde ich 80 % eurer Anträge zustimmen. Aber die Mittel sind nicht da! Und schon gar nicht für alle Dinge gleichzeitig. Wir können nicht einmal im Traum daran denken, die freiwilligen Leistungen der Stadt auch nur um einen Euro auszubauen, wenn wir nicht gleichzeitig an anderer Stelle 2 € einsparen. Außer in allgemeinen Aussagen sehe ich in Eurem ganzen Wahlprogramm keinen einzigen konkreten Sparvorschlag, ein Wille zum Lösen der Finanzmisere ist in keinster Weise zu erkennen.
Einer der ersten Anträge der Kooperation zwischen SPD und CDU war ein Antrag zum Haushalt 2011. Dieser Antrag ist so “schön“, dass ich den Wortlaut hier kopieren möchte, denn er verdeutlich Eure Unfähigkeit, mit Steuergeldern umzugehen.
„Die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Rödermark stellt fest; dass die derzeitige Haushaltssituation eine frühzeitige Planung für das Haushaltsjahr 2011 erforderlich macht.
Realität: Weder ist der Haushalt 2011 von den Gremien beraten, noch ist er verabschiedet. Tendenz: Es wird Juni 2011!
Der Magistrat der Stadt Rödermark wird daher beauftragt, nachfolgende Parameter bei der Planung des Haushaltsjahr 2011 zu berücksichtigen:
a) Im Haushalt 2011 ist eine Nettoneuverschuldung der Stadt Rödermark auszuschließen.
Realität: Defizit deutlich über 10 Mill. €! Auch wenn das Haushaltsdefizit fiskalisch nicht 1 zu 1 mit der Nettoneuverschuldung gleichzusetzen ist, liegt wohl auch diese 2011 im hohen siebenstelligen Bereich.
b) Ausgenommen von Buchstabe a) können und sollen bereits begonnene Investitionen im Jahre 2010 zu Ende geführt werden.
c) Sämtliche Steueransätze für Gemeindesteuern bleiben unverändert auf dem Niveau von 2010 bestehen.
d) Die Personalkosten sind inkl. der Altersversorgung auf dem Niveau von 2010 festzuschreiben. Änderungen sind möglich, wenn durch gesetzliche Regelungen Leistungsstandards erhöht werden. Sollte das Personalentwicklungskonzept andere Entscheidungen notwendig machen, ist dieses entsprechend zu berücksichtigen. Betriebsbedingte Beendigungskündigungen sind jedoch auszuschließen.
Realität: Die SPD hat im Jahre 2010 in diversen Anträgen an verschiedenen Stellen mehr Personal gefordert und neue Stellen beantragt, z.B. im Bereich Integrationsarbeit und kürzlich erst wieder bei der Kinder- und Jugendfarm. Wären alle SPD-Anträge aus dem Jahr 2011 in ihrer Ursprungsfassung angenommen worden, wären die Ausgaben der Stadt um mehrere 100.000 € – jährlich – gestiegen!
e) Bei den Sach- und Materialkosten sind in allen Bereichen 5% einzusparen.
f) Hinsichtlich der Gebührenhaushalte sind Gespräche mit umliegenden Kommunen zu führen, wie diese ggf. moderat und kostendeckend angepasst werden können.
g) Es ist durch den Magistrat zu prüfen und darzustellen, welche Handlungsmöglichkeiten in den Bereichen Wirtschaftsförderung und Standortmarketing in Zukunft bestehen. Sämtliche Handlungsfelder sind im Einzelnen darzustellen und insbesondere die spezifischen Gegebenheiten in Rödermark zu bewerten. Des Weiteren sind in einer vergleichenden Untersuchung die verschiedenen Organisationsformen, die für eine Wirtschaftsförderung denkbar sind, darzustellen.
h) Im Bezug auf den Verkauf der städtischen Wohnungen ist erneut zu prüfen, ob der Verkauf an eine Wohnungsbaugesellschaft realisierbar ist.
Realität: Wurde in keiner der nachfolgenden Sitzungen erwähnt
Die Stadtverordnetenversammlung beschließt darüber hinaus, dass unmittelbar nach der Sommerpause eine erste Beratung zu den o.g. Vorgaben im Haupt- und Finanzausschuss erfolgt.
Dabei sind dem Ausschuss auch die konkreten Halbjahresergebnisse des Haushaltesjahres 2010 und eine Prognose für das Ende des Haushaltsjahres 2010 darzustellen.
Realität: Ist nicht erfolgt
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Man hält sich nicht nur nicht an die eigenen Vorgaben, man packt immer mehr drauf, besonders im Sozialbereich. Unter diesem Gesichtspunkt kann ich nur hoffen, dass die Wähler zwischen Euren unrealistischen Versprechungen in eurem Wunschkonzert – äh: Wahlprogramm und dem Angebot einer zukunftsgerichteten Finanzpolitik, die auch vor unangenehmen, harten Eingriffen nicht halt macht, für das z.B. die FDP Rödermark steht, unterscheiden kann und die richtige Wahl trifft.
Rüdiger Werner
Marienstr. 19
13. Januar 2011
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