Badengehende Kalkulationen. Von Tobias Kruger
Tobias Kruger
21.01.2011
Jetzt ist die Katze endlich aus dem Sack: Erster Stadtrat Alexander Sturm räumt zum ersten Mal „offiziell“ in der Offenbach Post (21.01.2011, S.38) ein, dass die Kalkulationen betreffend das Badehaus und dessen Wirtschaftlichkeit nie aufgegangen sind. Doch Grund zur Freude, dass die FDP mit diesem Standpunkt also seit Jahren richtig lag und liegt, gibt es wahrlich nicht. Vielmehr muss man ernüchtert feststellen, dass es traurigerweise tatsächlich genauso und sogar noch schlimmer ist.
Rückblende
Noch bei der Eröffnung des Badehaus im Juni 2006 erklärten Erster Stadtrat Alexander Sturm und Bürgermeister Roland Kern: (Zitat) “Wir wollen einen wirtschaftlicheren Betrieb nicht durch Reduzieren, sondern durch eine Erweiterung des Angebots“, sagte der Erste Stadtrat. „Die Einnahmen aus dem Saunabereich sollen das Defizit des eigentlichen Badebetriebs von bislang 380.000 Euro pro Jahr Richtung null drücken. Wahrscheinlich belastet das Gesamtprojekt unseren Haushalt überhaupt nicht mehr, sondern trägt zu seiner Konsolidierung bei, sagte Kern“.(Zitat Ende – Offenbach Post vom 02. Juni 2006). Ganz klar und ausdrücklich wurde hier gesagt, was in den Folgejahren dann stets bestritten bzw. umgedeutet oder schöngerechnet wurde: Das neue Badehaus sollte pro Jahr maximal einen Zuschussbedarf auf der Ebene desjenigen des alten Hallenbades haben. Aber im Grunde war kalkuliert und geplant und deutlich kommuniziert, dass der Badbetrieb gar kein Defizit produzieren und damit den städtischen Haushalt überhaupt nicht mehr belasten, sondern sogar positiv beeinflussen sollte. Die Einnahmen aus dem Saunabereich sollten den Zuschussbedarf des Schwimmbereiches komplett abdecken und zusätzlich einen Überschuss produzieren. Diese Aussage wurde im Vorfeld zur Entscheidung über die Revitalisierung des in die Jahre gekommenen Hallenbades immer wieder an verschiedenen Stellen wiederholt und bekräftigt. So und speziell wegen dieser klar dargestellten Kalkulation kam es dann auch, dass die Stadtverordneten sich für die über 5 Millionen Euro teure Revitalisierung des Hallenbades zum Badehaus entschieden.
Aktuelles Defizit: 1.200.000 Millionen Euro
Nur noch den Kopf schütteln kann man heute, wenn man sich das aktuelle Defizit vor Augen führt. Anstatt zur Haushaltskonsolidierung beizutragen, produziert das Badehaus etwa viereinhalb Jahre nach seiner Eröffnung per anno knapp 1,2 Millionen Euro Miese. Und das, obwohl die tatsächlichen Besucherzahlen im Schwimmbad ganz deutlich über den besten Kalkulationszahlen liegen: Im Schnitt 336 (2009) statt prognostizierter 225 (2005) pro Tag.
25.000 € für Unterwasser-LED-Beleuchtung
Doch was macht der Erste Stadtrat nun? Er räumt zum ersten Mal öffentlich ein, dass keine der Kalkulationen bezüglich der Gewinn- und Verlusstrechnung aufgegangen ist. Soweit so gut – doch wo bleiben die Konsequenzen? Wie lange wird das horrende Defizit noch schulterzuckend oder hinter immer neuen Gutachten versteckt tatenlos hingenommen? Statt endlich den gesamten Themenkomplex ohne Denkverbote anzugehen und alle denkbaren Handlungsmöglichkeiten genauestens zu prüfen, wird wieder versucht, das Problem schönzureden. Trotz des siebenstelligen jährlichen Fehlbetrages, so war dieser Tage zu lesen, sei das Badehaus nämlich „Wirtschaftlich trotz Defizit“. Klartext: In der Klassenarbeit eine glatte 5, aber ist ja nicht wirklich schlimm, denn 2 andere haben sogar eine noch schlechtere Note 6. Doch man soll nicht unfair sein, es wurde auch gehandelt: Für 25.000 € erhielt das Schwimmbecken eine LED-Unterwasserbeleuchtung. Hervorragend. Keine der Kalkulationen geht auf, Jahr für Jahr werden 1,2 Millionen Euro versenkt – aber immerhin ist das Wasser jetzt beleuchtet … von unten sogar. Eine zusätzlich zu diesem neuen Gefunzel zu installierende Aromaduftanlage, die 24 Stunden am Tag den betörenden Duft „Sinnesvernebelung“ im ganzen Badehaus versprüht ist gerüchteweise ebenfalls schon fest geplant.
Tobias Kruger
Greifswalder Str. 3
21.01.2011
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