In der letzten Woche konnte ich erleben, dass manchmal eine kleine Idee einen Riesenwirbel verursachen kann. Plötzlich ist das Thema „Pferdesteuer“ in aller Munde: Zweimal in der Offenbach Post, Online Voting, Presseanfragen, Kolumne in hr 3. Dabei ist das Thema bei Leibe nicht neu und hat die FDP Rödermark sicherlich nicht das Urheberrecht. Wie kam es dazu?
Wie mittlerweile hoffentlich jeder weiß, sieht es mit Finanzierung der kommunalen Haushalte sehr schlecht aus. Im Zuge unserer Beratungen haben wir daher ein Drei-Säulen-Modell aufgestellt, wie man die Situation verbessern kann: Erhöhung der Einnahmen, Senkung der Ausgaben und maßvolle Investitionen in die Zukunft, möglichst mit Verzinsung. Das alles sollte ohne Denkverbote stattfinden.
Bei den beeinflussbaren Einnahmen geht es um die Bereiche Steuern auf der einen Seite und Beiträge und Gebühren auf der anderen Seite. Auf der Gebührenseite wird sich einiges tun, einiges ist in Arbeit, anderes haben wir beantragt. Auf der Steuerseite hat die Gemeinde 3 Stellschrauben: Gewerbesteuerhebesatz, Grundsteuerhebesatz und Bagatellsteuern. An der Stellschraube Gewerbesteuer darf aus unserer Sicht nicht gedreht werden, hier befinden wir uns im Wettbewerb und viele Unternehmen sind räumlich flexibel, so dass hierbei Rödermark eher Nachteile entstehen könnten. Bei der Grundsteuer möchten wir nichts ändern, da den Bürgern im Zuge der von uns für alternativlos gehaltenen wiederkehrenden Straßenbeitragsgebühr hier eh schon eine starke Erhöhung ihrer Abgabenpflicht ins Haus steht. Bleiben die sogenannten Bagatellsteuern, das sind in Rödermark bisher die Hundesteuer und die Spielapparatesteuer. Für mich ist es absolut legitim zu überlegen, ob in diesem Bereich dringend benötigte Mehreinnahmen für die Stadt zu erzielen sind. Das Kommunalrecht gibt keine großen Spielräume für Willkür bei der Einführung von Steuern. Neben einer Erhöhung der Sätze der bisherigen Steuern kommt in der Praxis nur eine Pferdesteuer in Frage, die möglicherweise Einnahmen in fünfstelliger Höhe generieren kann und die ich nach Abzug aller Verwaltungskosten auch lohnen würde. Vorreiter ist hier die Stadt Norderstedt, die die Diskussionen schon hinter sich hat.
Da wir nicht wissen, wie viele Pferde in Rödermark leben, welchen Aufwand eine Registrierung und Karteiisierung mit sich bringt, haben einen Prüfungsantrag gestellt. Wir haben bisher zu keinem Zeitpunkt die Einführung der Steuer gefordert. Erst wenn die Prüfung ergeben sollte, dass wir damit Mehreinnahmen in fünfstelliger Höhe erzielen könnten, würden wir uns für deren Einführung aussprechen. Das ist ein wichtiger Punkt.
Um eines klarzustellen: bei der möglichen Einführung einer Pferdesteuer geht es uns einzig und allein um die Mehreinnahmen für die Stadt! Die Pferdehaltung in Rödermark verursacht der Stadt keine bezifferbaren Mehrkosten. Das jetzt in den Medien als Begründung für unseren Vorstoß die Hinterlassenschaften der Pferde und die Pflege von Reitwegen im Vordergrund steht, ist auf eine gewollte Fehlinterpretation zurückzuführen. Politikerschelte ist modern, verrückte Ideen zur Abzocke medienwirksam. Da müssen wir, muss ich mit leben.
Was wir in der Begründung getan haben, ist ein provokativer Vergleich mit der Hundesteuer. Warum wird die Haltung von Hunden besteuert und die anderer Tiere nicht? Die Hundesteuer war nie eine Steuer, der eine bestimmte Leistung (etwa Reinigung der Straßen von Hundekot) gegenübersteht. Sie war von Anfang an eine öffentlich-rechtliche Abgabe, die nach dem Gesamtdeckungsprinzip zur Finanzierung aller kommunalen Aufgaben mitverwandt wird. Sie wird von den Städten und Gemeinden als zusätzliche fiskalische Einnahmemöglichkeit beim Ausgleich der kommunalen Haushalte gesehen. In den Köpfen vieler Bürger wird immer wieder der Hundekot als Rechtfertigung herangezogen. Auch in Rödermark wird von der Steuer aber keine Person bezahlt, die täglich durch Straßen und Feldwege patrouilliert und die Hinterlassenschaften einsammelt. Daher haben wir geschrieben: wenn schon Hundekot als falsche Rechtfertigung für eine Hundesteuer herangezogen wird, dann kann man das mit Pferdemist erst recht machen. Der ist schließlich größer und liegt meist mitten auf dem Weg. Das nun ernsthaft über die Unterschiede zwischen Pferdemist und Hundekot diskutiert wird, konnten wir uns beim Ausarbeiten des Antrages allerdings nicht vorstellen…
Was wir auch nicht wussten, ist, wie viele Hartz-IV-Empfänger sich anscheinend Pferde halten. Die bisherigen Reaktionen lassen jedenfalls darauf schließen, dass fast ausschließlich alte Pferde, die von armen Menschen ein Gnadenbrot erhalten in Rödermark leben. Dazu kommen Therapie- und Arbeitspferde.
Leute, lasst doch mal die Kirche im Dorf. Die Haltung eines Haustieres kostet Geld. Auch ein Hund kostet mit Verpflegung, Tierarzt, Steuern, Versicherung, Spielzeug etc. oft 1000 € oder mehr im Jahr. Pferde kosten noch mehr Geld. Die meisten Pferde in Rödermark sind Reitpferde. Kein Hartz-IV-Empfänger kann sich ein Reitpferd leisten, allein Stall und Futter würden seinen Monatssatz überschreiten. Es ist völlig legitim, dass die potenziell Betroffenen aufschreien, keiner hat schließlich Geld zum Verschenken. Das haben aber die vielen Tausend Hundebesitzer auch nicht, die brav bisher ihre 60 € Hundesteuer bezahlt haben. Darunter übrigens tatsächlich viele finanzschwache Personen. Trotzdem wird die Hundesteuer in der Praxis von jedem als etabliertes Übel hingenommen. Die von uns ins Spiel gebrachte Höhe würde keinen Pferdebesitzer ruinieren, auch wird man für 200 € im Jahr nicht den Stall wechseln, mit dem man Jahre lang zufrieden war. Würden wir der Empfehlung des Hessischen Städte- und Gemeindebundes folgen, die in einer Publikation von 750 € pro Pferd gesprochen haben, sähe das anders aus. Bei den Hunden gibt es laut Hundesteuersatzung viele Ausnahmen, Befreiungen, Reduzierungen: Blindenhunde, Hütehunde, Wachhunde etc. Das kann man bei den Pferden genauso handhaben. Ich habe kein Problem mit entsprechenden Ausnahmeregelungen für z.B. in der Landwirtschaft genutzten Pferden oder Therapiepferden. Weder ich noch die FDP wollen weniger Pferde in Rödermark, wir wollen nicht, dass durch unseren Vorstoß auch nur ein Pferdebetrieb in existenzgefährdende Schwierigkeiten kommt. Das ist auch Inhalt des Prüfungsauftrags.
Am liebsten wäre es mir persönlich, man könnte als Stadt Rödermark auf Bagatellsteuern komplett verzichten. Das ist der einzige Punkt, den ich bezüglich der SPD-Reaktion auf unseren Antrag unterschreiben kann. Über die Sinnhaftigkeit der Spielapparatesteuer kann man sicher diskutieren, aber zumindest die Abschaffung der Hundesteuer wäre sehr begrüßenswert. Allein: es geht nicht! Bei einer Deckungslücke von knapp 10 Millionen Euro ist die Stadt verpflichtet, jede sich bietende Einnahmemöglichkeit auszuschöpfen. Das sehen übrigens CDU und AL/Grüne scheinbar ähnlich, denn nach ihrem Vorschlag sollen die Hundesteuer um 20 € angehoben werden und die Erlöse aus der Spielapparatesteuer um 10.000 € steigen. Bis jetzt habe ich noch keine Offenbach-Post-Umfrage gesehen, ob das gerecht ist…
Ich bin übrigens weder Pferde- noch Hundehalter (Tierhaarallergiker), aber definitiv ein großer Tierfreund. Daher sehe ich eine Erhöhung der Hundesteuer problematischer als die Einführung einer Pferdesteuer. Die 20 € werden etlichen Hundehaltern weh tun. Trotzdem werde ich auch dieser Erhöhung mit Blick auf den Gesamthaushalt zustimmen.
Die öffentliche SPD-Reaktion hat mich zugegebenermaßen geärgert. Kommt die Reaktion doch von der gleichen SPD, die bisher selbst keinen einzigen Vorschlag gemacht hat, wie man das Defizit verringern kann, wie man aus der Schuldenfalle noch entkommen kann. Von der SPD, die in den Fragerunden zum Haushalt mit Abwesenheit glänzte und keine einzige Frage stellte. Von der SPD, die im Gegenteil gerne auch unter den bekannten Rahmenbedingungen einen Stadtbus einführen möchte, der die Stadt jährlich über 100.000 € kosten würde. Diese SPD kann sich jetzt gerne jeden geplanten Ausgabeposten des Haushaltes anschauen und ihn intensiv auf Einsparmöglichkeiten hin überprüfen. Wir haben das schon vor 5 Wochen gemacht und alle nur denkbaren Möglichkeiten in Antragsform gebracht! Dabei haben wir feststellen müssen, dass fast alle Aufgaben Pflichtaufgaben sind, dass der Haushaltsentwurf gegenüber den Mittelanmeldungen der Verwaltung schon massiv zusammengestrichen wurde, dass wir so gut wie keine Investitionen durchführen, folglich hier auch nicht weiter sparen können, dass Angestellte der Stadt in der Regel unbefristete Arbeitsverhältnisse haben und die Fluktuationsrate niedrig ist, dass betriebsbedingte Kündigungen für das Parlament wohl mehrheitlich ein No go ist, von der SPD gar als unvorstellbar bezeichnet wird, d.h., selbst wenn festgestellt wird, dass wir in einigen Bereichen zu viel Personal haben oder das einige Bereiche nicht zu den Kernaufgaben einer Kommune gehören bzw. durch Umorganisationen Personal frei werden würde, wir an den hohen Personalaufwendungen kurz- und mittelfristig wenig ändern können.
Ich bin sehr gespannt, was die SPD nach „intensiver Prüfung“ für Vorschläge macht. Bis dorthin verbitte ich mir solche Aussagen wie „völlig untauglicher Versuch der Haushaltsschieflage zu begegnen“. Unser Versuch ist sehr wohl tauglich und 20.000 € potenzielle Mehreinnahmen sind einer von vielen schmerzhaften Schritten, die gegangen werden müssen, um wieder halbwegs akzeptable Haushalte vorlegen zu können.
Neben der reinen Einnahme hat der Antrag Pferdesteuer noch ein weiteres Ziel, das wir – wie die Reaktionen zeigen – zumindest teilweise erreichen werden: die öffentliche Aufmerksamkeit auf die desaströsen kommunalen Haushalte zu lenken. Wenn eine Partei wie die FDP, die im Bund wie in Rödermark bisher eher als Steuersenkungs-, Steuerabschaffungs- und Steuerverhinderungspartei wahrgenommen wurde, plötzlich die Einführung von neuen Steuern und Abgaben fordert, wenn wir also gegen jede Parteiräson das Gegenteil dessen fordern, für das wir bisher standen, dann ist das ein Hilfeschrei! Wenn selbst wir solche Forderungen aufstellen, dann muss die Lage wirklich ernst sein. Das muss auch in die Köpfe der Bürger rein, es muss jedem Steuerzahler klar werden, dass mit den Mitteln, die er bisher der Kommune zur Verfügung stellt, all die Sachen, die die Kommune für den Steuerzahler leistet, nicht mehr zu finanzieren sind. Dass das Deckungsloch nicht primär an diskussionswürdigen Kreiseln oder überteuerten Ortsmittensanierungen liegt. Klar wurden in der Vergangenheit auch Fehler gemacht, sicherlich hätte man schon beim Bau der Kulturhalle oder beim Umbau des Hallenbades sehen müssen, dass man sich die Folgekosten dieser Prestigeobjekte nicht leisten kann. Aber nun stehen die Gebäude nun mal und damit sind die Kosten da. Daran können wir jetzt und auf die Schnelle nichts ändern. Aber auch diese rund 2,5 Millionen € jährlich machen nur ein Viertel unseres Defizites aus. Weder die Politik noch die Verwaltung geht wirklich verantwortungslos mit dem Steuergeld um. Wir haben vielmehr eine strukturelle Krise, die wir auch mit der höchsten Ausgabendisziplin nicht lösen können.
Hier muss sich etwas ändern, es muss sich schnell etwas ändern, aber wir dürfen nicht erwarten, dass die Stadt nach einer möglichen Neuordnung der kommunalen Finanzversorgung plötzlich jährlich 10 Millionen € mehr zur Verfügung hat. Es ist ja nicht so, dass an anderer Stelle in den Öffentlichen Finanzen bei Bund, Land, Kreis Überschüsse angehäuft werden. Das Anspruchsdenken in der Bevölkerung muss ich ändern. „Ich zahle so viel Steuern, da will ich auch eine Gegenleistung“. Ja, die bekommt der Steuerzahler, aber sie ist nicht, wie er der Meinung ist, geringer als seine Abgaben, sie ist höher. Die Gesellschaft muss sich wieder dahingehend ändern, dass man zuerst daran denkt, was kann ich machen, wie kann ich meine persönliche Situation ändern, bevor man nach dem Staat ruft. Das gilt für den Beruf genauso wie für die Erziehung, die Bildung, die Pflege. Die weit verbreitete Einstellung, die Gemeinschaft wird schon für mich sorgen, wenn ich nichts tue, muss aus den Köpfen wieder in den Hintergrund geraten. Nur gemeinsam – Bürger, Verwaltung und Politik – können wir es bei der gegenwärtigen Finanzlage schaffen, das Rödermark einen liebens- und lebenswerte Kleinstadt im Grünen bleibt. Politik und Verwaltung alleine können das nicht mehr. Wenn die Diskussion um die Pferdesteuer einen Anstoß gegeben hat, in diese Richtung zu denken, bin ich auch gerne bereit, noch mehr Beschimpfungen für meine Initiativen über mich ergehen zu lassen.
Rüdiger Werner
Marienstr. 19
24. November 2011