Mietfreies Künstlerhaus? – Von Dr. Rüdiger Werner
Dr. Rüdiger Werner
16.06.2012
Die FDP hatte im Mai eine sachliche Anfrage zum Thema „Seitz-Haus“, einem Haus in der Ortsmitte von Ober-Roden in der Dieburger Straße auf der linken Seite der Einfahrt zur Kulturhalle, gestellt. Das Haus wird seit geschätzten 3–4 Jahren vom Künstlerverein KiR genutzt und auf Vordermann gebracht. Wir wollten zum einen wissen, ob die Gerüchte wahr sind, dass KiR für die Immobilie keine Miete zahlen muss, und wir wollten wissen, welche Pläne der Magistrat in der Zukunft für das Gebäude hat. Der Hintergrund hier: Die Stadt Rödermark hat das Gebäude vor einigen Jahren von der Erbengemeinschaft Seitz erworben, um Optionen zu erhalten, den Einfahrtsbereich zur Kulturhalle neu zu gestalten. Sprich: das Haus sollte abgerissen werden, um die Zufahrt zu verbreitern.
Der Magistrat teilte nun mit, dass mit KiR ein Nutzungsvertrag geschlossen wurde, der eine kostenlose Nutzung bei Übernahme der Nebenkosten beinhaltet. Der Vertrag läuft über lediglich 3 Monate, verlängert sich aber immer wieder um 3 Monate, wenn er nicht von einer der Parteien fristgerecht gekündigt wird. Weiter sieht der Magistrat das Haus als Provisorium, an dem damaligen Beschluss, das Haus irgendwann abzureißen, um die Einfahrtsituation zu verbessern, wird festgehalten. Allerdings gäbe es keinen konkreten Abrissplan.
In der Offenbach-Post vom 15.6.2012 ist nun eine harsche Kritik des Künstlervereins KiR an der FDP zu lesen, die eine Neiddebatte entfachen will und sich nicht informiert hätte.
Wie ist das ganze nun zu bewerten?
Nun, die Anfrage hatte einen rein sachlichen Charakter und diente ausschließlich der Wissensbeschaffung. Wir wollten dann intern diskutieren, wie wir mit den erhaltenen Informationen umgehen. Und selbstverständlich haben wir uns informiert.
Meine Meinung hierzu ist ganz eindeutig: Es war richtig von der Stadt, auf Anfrage von KiR dem Verein das Haus zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Zu diesem Zeitpunkt war unklar, wie lange das Haus noch steht, ein Abriss innerhalb von 2 Jahren war wahrscheinlich. Ohne größere Investitionen ließ sich das Haus nicht mehr vermieten, bei einem mittelfristigen Ziel „Abriss“ hätten sich diese Investitionen niemals gelohnt. Außerdem birgt ein Mietvertrag immer die Gefahr, dass man den Mieter trotz vertraglicher Regelung nicht rechtzeitig aus dem Gebäude wieder heraus bekommt.
Auch die kostenfreie Nutzung findet für die Anfangszeit meine Zustimmung. Es war eine Win-Win-Situation. KiR hat sich des Hauses angenommen, hat es belebt und verschönert, dieses doch markante Gebäude im Stadtzentrum ist nun von außen eher als Schmuckstück denn als Schandfleck zu bezeichnen. Dafür gebührt KiR höchste Anerkennung.
Was hat sich nun geändert?
Die Ausgangslage. Bedingt durch die deutlich verschlechterte Finanzlage der Stadt ist eine Umgestaltung des Kulturhallenvorplatzes inklusive des Einfahrtsbereiches von der Dieburger Straße in weite Ferne gerückt. Auch die Diskussionen der CDU/AL-Koalition zur Belebung des Platzes inklusive Abriss des alten Feuerwehrhauses sind in meinen Augen unbezahlbare Wunschträume. Es ist durchaus legitim, sich solche Gedanken zu machen, aber ich sehe in den nächsten Jahren keine reelle Chance der Umsetzung. Es ist einfach kein Geld da. Und damit ist auch der Abriss des KiR-Hauses in weite Ferne gerückt.
KiR konnte die Immobilie nun geschätzte 3 Jahre lang kostenfrei nutzen. Das war in Ordnung so. Damit ist in meinen Augen aber auch das nach außen sichtbare Engagement wertmäßig abgegolten. Eine weitere komplett kostenfreie Nutzung ist in meinen Augen nicht mehr zu rechtfertigen. In der gleichen Sitzung, in der die kostenfreie Nutzung des Seitz-Hauses durch den Verein KiR bekannt gegeben wurde, hat die Stadtverordnetenversammlung die Nutzungsgebühren für alle städtischen öffentlichen Gebäude, z.B. für die Kulturhalle, deutlich erhöht, was besonders die anderen Rödermärker Vereine finanziell mehr belasten wird. Hier sollte von Seiten der Stadt dann doch mehr Gleichbehandlung stattfinden, sonst wird eine Neiddebatte von ganz alleine aufkommen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Vorsitzende von KiR, Sylvia Baumer, mittlerweile ehrenamtliche Stadträtin ist, also über diese Frage direkt mit zu entscheiden hat. Deshalb hat es für mich auch einen faden Beigeschmack, wenn Frau Baumer selbst in dieser Sache für KiR spricht, wie jetzt über die Offenbach-Post geschehen. Hier wäre besser ein anderes Vorstandsmitglied zu Wort gekommen.
Mein Vorschlag
Nach meiner Meinung sollten Stadt und KiR sich zusammensetzen und den Nutzungsvertrag dahingehend abändern, dass ab sofort eine monatliche Nutzungsgebühr fällig wird. Der durchschnittliche Mietpreis in Rödermark liegt zurzeit irgendwo bei 7,50 €/qm. Ich weiß es nicht, schätze aber einmal, dass das Haus rund 100 qm Nutzfläche besitzt. Der Zustand des Hauses macht eine Vermietung als Wohnfläche zu Marktpreisen unmöglich. Aber es gibt auch einen Markt für Lagerflächen. Ich vermiete selbst einige davon und kann von einer hohen Nachfrage berichten. Je nach Zustand und Nutzungsmöglichkeit bekommt man für kleinere Lagerflächen zwischen 1,50 und 2,50 €/qm. Ich würde für das Seitz-Haus 2 €/qm ansetzen und käme damit auf eine monatliche Nutzungsgebühr von 200 €. Das wäre für mich die Untergrenze, sollte für KiR tragbar sein und würde sämtliche schädliche Debatten beenden. Zum Vergleich: Der NABU Rödermark zahlt für 2 kleine Räume in der Immobilie Odenwaldstr. 70a, die ebenfalls in keinem guten Zustand ist, 240 €/Monat Warmmiete an die Stadt. Wenn uns jemand ein Gebäude wie das KiR-Haus für 200 € kalt anbieten würde, würden wir wahrscheinlich sofort ‚ja’ sagen …
Fazit
Kein Vorwurf an die Stadt, Anerkennung der bisherigen Leistung von KiR zur Verschönerung dieses Gebäudes, aber in Zukunft bitte keine kostenfreie Nutzung mehr, sondern Zahlung einer geringen Nutzungsgebühr, die dem Verein Luft zum Leben lässt und dem Vorwurf einer Ungleichbehandlung der Rödermärker Vereine die Grundlage entzieht.
Rüdiger Werner
Marienstr. 19
16.06.2012
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