Gebührenerhöhungen – wie man es nicht machen sollte! — von Dr. Rüdiger Werner
Dr. Rüdiger Werner
03.12.2012
Seit 3 Tagen ist es heraus, die Bombe ist geplatzt: deutliche Gebühren-erhöhung im Betreuungsbereich bereits zum Jahreswechsel! Was hat sich die Stadt dabei gedacht? Musste das „Wie“ so sein, wie es jetzt ist? Meine ganz klare Meinung ist: nein! Seit 10 Monaten ist klar, dass die Gebühren angehoben werden sollen, 10 Monate hatte man Zeit, mit den Eltern zu diskutieren, Vorschläge auszuarbeiten und durchzurechnen. Geschehen ist nichts! Aber dazu später mehr, erst einmal kurz die Faktenlage vor den Abstimmungen.
Die Fakten
Die Gebührung für die Betreuung von Kindern in den Kindergärten und Krabbelgruppen steigen zum 1. Januar um 6,6 – 25 %, zumindest für alle, die für ihre Kinder nur eine Betreuung zwischen 8 und 16 Uhr benötigen. Eine Betreuung von 7 Uhr und/oder bis 17 Uhr kostet nach dem neuen Modell zwischen 23 und 50 % mehr. Eine Ganztagsbetreuung in der Kita Lessingstraße erhöht sich sogar um 76 %. Was ist daran so schlimm? Diese Frage erscheint weniger ketzerisch, wenn man die Gesamtsituation der Stadt Rödermark kennt. Der Kinderbetreuungsbereich ist mit rund 7 Millionen € jährlich defizitär. Der Kostendeckungsgrad der Elternbeiträge an den tatsächlich anfallenden Kosten der Stadt beträgt bei Kitas und Krabbel¬gruppen gerade einmal 10–11 %. Dieser Anteil hat sich in den letzten Jahren mehr als halbiert, da die Leistungen stark ausgeweitet wurden (längere Öffnungszeiten, mehr Ganztagsplätze, kleinere Gruppengrößen, mehr Betreuungspersonal), teils freiwillig durch die Stadt, teils durch übergeordnete Verordnungen. Die Stadt hat es versäumt, diese höheren Kosten durch Anpassung der Gebühren zumindest teilweise auszugleichen. Nimmt man die Aktion Gesundes Frühstück heraus, die im letzten Jahr die Gebühren um 10 € ansteigen lies, wurden die Gebühren seit 14 Jahren nicht mehr erhöht. Auf 14 Jahre verteilt fallen die jetzt in der Diskussion stehenden Gebührenerhöhungen im Schnitt geringer aus als die jährliche Preissteigerungsrate.
Die Umsetzung
Die FDP hat bei den Haushaltsberatungen im vergangenen Jahr erstmalig eine signifikante Absenkung der Subventionen im Kindergartenbereich gefordert, gleichbedeutend mit einer Gebührenerhöhung. Damit war die politische Diskussion eröffnet. Uns war klar, dass die von uns vorgeschlagene Höhe zwar eigentlich notwendig und gerechtfertigt wäre, aber niemals auf einem Schlag durchsetzbar wäre. In der Diskussion haben alle Parteien gefordert, dass es zu einer Gebührenerhöhung kommen müsse, aber sozial verträglich und nach einem intensiven Diskussionsprozess mit den Betroffenen. Der Wortlaut des interfraktionellen Beschlusses vom 14. Februar 2012 lautet:
„Ein Konzept zur Anpassung aller Gebühren ist bis zum Ende des 2. Quartals 2012 vorzulegen. Hierbei sind folgende Themenfelder einzubeziehen:
Erhöhung der Benutzungsgebühren in den städtischen U3-Einrichtungen, Erhöhung der Benutzungsgebühren in den städtischen Kindertagesstätten, Erhöhung der Benutzungsgebühren in den Horten und kostendeckende Essenspauschalen in allen städtischen Einrichtungen.“
Es war eigentlich jedem klar, dass die Verwaltung nun bis zum Jahresende die Aufgabe hat, sich mit den Betroffenen zusammenzusetzen, um das Wie und die Höhe einer Gebührenerhöhung zu diskutieren. Irgendwann in der 2. Jahreshälfte würde dann die Vorlage für eine neue Gebührensatzung auf der Tagesordnung stehen, die dann zum 1. Januar 2013 in Kraft treten wird. Das wäre der richtige Weg gewesen. Auf Nachfrage meinerseits bei einer interfraktionellen Runde im April, wann denn eine Veranstaltung mit den Eltern geplant ist, wurde mir mitgeteilt, dass dies nicht geplant ist. Der Punkt Gebührenerhöhung wäre Bestandteil einer Frage zum Stadtleitbild und würde auch wieder bei der 2. Befragung zum Haushalt abgefragt. Das würde ausreichend sein. Mein Einwand, dass man hier – im Gegensatz zu Fragen zur Grundsteuer oder dem Straßenbau – eine exakt definierte Bevölkerungsgruppe als Ansprechpartner hätte, die auch noch namentlich bekannt sind und über ihre Elternvertreter über einen Organisationsgrad verfügen, den andere nicht haben, und dass es sehr einfach wäre, exakt für diese Bevölkerungsgruppe eine Informationsveranstaltung zum Thema zu organisieren, aus der sich dann wiederum ein Runder Tisch bildet, der das Thema bis zur Beschlussreife diskutiert, wurde von der Verwaltung wie von den anderen Parteien überhaupt nicht aufgegriffen. Unnötig, dann würden andere Gruppen das auch fordern, übersteigt unsere Möglichkeiten …
Ich habe dann im Vorfeld der Haushaltseinbringung noch einmal nachgefragt, wann denn das Thema Gebührenerhöhung angegangen wird. Erst mal Leitbild und Schutzschirm, dann Mitte November würde das kommen. Tatsächlich hat erster Stadtrat Sturm dann Mitte November erstmalig einen Konsolidierungs¬vorschlag für den städtischen Haushalt mit Abbaupfaden bis 2018 vorgestellt, der als eine wesentliche Maßnahme die Erhöhung der Gebührenbeiträge im Betreuungsbereich mit Wirksamkeit 2013 enthält. Es wurde auch das Modell mit Verringerung der Kernzeit und Zukaufsstunden an den Rändern vorgestellt und begründet. Hierzu gab es keinen Widerspruch, eine Diskussion diesbezüglich fand allerdings auch nicht statt. Einige Tage später wurde in einer weiteren nichtöffentlichen Sitzung über die Umsetzung gesprochen. Es erschien der Mehrzahl der Beteiligten unrealistisch, eine Erhöhung zum 1. Januar wirksam werden zu lassen, der 1. März wurde als der bessere Zeitpunkt benannt. Eine Umsetzung erst im Sommer mit dem neuen Kindergartenjahr geht nicht, da dann die Konsolidierungssumme nicht mehr erreicht wird bzw. die Erhöhung doppelt so hoch ausfallen muss. Es wurde auch die Problematik des Anhörungsrechts des Elternbeirats laut Satzung angesprochen. Da sich das Anhörungsrecht auf Teile des Haushaltsplans und nicht auf die Gebührensatzung bezieht, gäbe es aber formell-rechtlich auch keine Probleme mit dem engen zur Verfügung stehenden Zeitplan. Man hätte zwischen Konsolidierungsbeschluss und Inkrafttreten genügend Zeit, die Stellungnahmen der Betroffenen einzuholen, die Umfrage bezüglich Zukaufstunden durchzuführen und die neuen Gebührenbescheide zu erstellen und zu verschicken. Eine Diskussion über die vorgeschlagene Höhe oder über das prinzipielle Vorgehen gab es nicht. Der Weg erschien uns in der Kürze der Zeit gangbar. Nur 6 Tage später wurde in einer öffentlichen Sitzung zumindest für mich völlig unerwartet verkündet, dass die Erhöhung nun doch schon zum 1. Januar wirksam sein soll. Daraufhin wurden die Entwürfe der neuen Gebührensatzungen verteilt. Wir konnten wenigstens erreichen, dass diese Satzungsbeschlüsse wir vom Gesetzgeber vorgesehen vorher in einem Haupt- und Finanzausschuss auf der Tagesordnung stehen und diskutiert werden.
Meine Kritik
Die erste Kritik habe ich schon genannt: es hätte nie dazu kommen dürfen, dass die Kindergartengebühren 14 Jahre lang unangetastet geblieben sind.
Die zweite und wesentliche Kritik betrifft die Unfähigkeit des Magistrates bzgl. der Umsetzung von Beschlüssen. Es liegt ein eindeutiger Beschluss aller politischen Fraktionen vor, bis Ende Juni ein Konzept zur Gebührenerhöhung vorzulegen. Dies wurde versäumt bzw. verweigert. Was sind Beschlüsse denn noch Wert, wenn solch ein Verhalten zur Regel wird? Auch hat die CDU-AL/Grüne Koalition bei den Haushaltsberatungen Anfang des Jahres immer wieder betont, wie wichtig der Dialog mit den Betroffenen ist, wie wichtig es sei, solche Gebührenanpassungen sorgfältig vorzubereiten. Ich wiederhole mich nur ungerne, aber seit 10 Monaten ist klar, dass die Gebühren angehoben werden sollen, 10 Monate hatte man Zeit, mit den Eltern zu diskutieren, Vorschläge auszuarbeiten und durchzurechnen. Geschehen ist nichts! Der Magistrat blieb komplett Untätigkeit! Jetzt soll im Schweinsgalopp eine Gebührenanpassung schon zum 1. Januar 2013 mittels Satzungsänderung beschlossen werden, die weder mit den Betroffenen erörtert noch politisch im Detail diskutiert wurde. Das ist kein gereifter demokratischer Prozess, das ist eine Kapitulation vor dem Zeitdruck, eine Aufzwingung von unveränderlichen Tatsachen. Mit diesem Prozess bin weder ich noch die FDP einverstanden, es ist ein Paradebeispiel dafür, wie man es nicht machen sollte. 3 Tage vor der Abstimmung über den Satzungsbeschluss die betroffenen Elternbeiräte per Brief zu informieren und zur Abgabe einer Stellungnahme innerhalb von 3 Tagen zu nötigen, ist nicht nur schlechter Stil, es ist fast eine Frechheit. Hier habe ich vollstes Verständnis für die Reaktion der Eltern.
Nach vielen Gesprächen mit den Betroffenen in den letzten Tagen glaube ich nicht, dass sich die Eltern mehrheitlich über die Erhöhung an sich aufregen, sondern über das Wie. Ohne Vorankündigung, ohne Diskussion, ohne Vorlaufzeit. In meinen Augen wäre es wichtig gewesen, wenn die Mehrheit der Elternschaft die Erhöhung mit getragen hätte. Das wäre sicherlich der Fall gewesen, hätte man sich die Zeit genommen mit Ihnen zu sprechen, Ihnen die Ausgangssituation erklärt und mit ihr alternative Modelle diskutiert. Wurde alles nicht gemacht.
Aus meiner Sicht kann die jetzt vorliegende Satzung nur ein Provisorium sein, das die Mehreinnahmen für 2013 sichert. Die versäumte Diskussion mit den Betroffenen muss aus Sicht der FDP zwingend nachgeholt werden, auch die eigentliche Diskussion in den politischen Gremien muss noch geführt werden. Die kommenden Monate sollten genutzt werden, hier ein für alle Beteiligten tragfähiges Modell zu entwickeln, das die Schritte hin einem noch zu bestimmenden Konsolidierungsendziel festlegt und so Planungssicherheit für die Zukunft schafft – für die Eltern wie für die Stadt. Die Versäumnisse des Jahres 2012 müssen einmalig bleiben.
Nicht dass mich jemand falsch versteht: die FDP hält nicht die Gebührenerhöhung an sich für verkehrt, diese ist zwingend notwendig und wird von uns mitgetragen. Dafür kritisieren wir aber umso mehr das jetzt gewählte Umsetzungsverfahren. Das werden wir auch in den kommenden Tagen folgenden Diskussionen klar zum Ausdruck bringen.
Dr. Rüdiger Werner
Marienstr. 19
3. Dezember 2012
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