„Mischgebiet“ Kapellenstraße Ober-Roden: Wohnen statt Gewerbe
von Tobias Kruger
Warum sich die FDP bei der Abstimmung dazu enthalten hat …
Im Rahmen der letzten Sitzung (Juli) der Rödermärker Stadtverordnetenversammlung wurde unter Top 8 die Einleitung des Bebauungsplanes „Mischgebiet Kapellenstraße“ aufgerufen. Da es zu diesem TOP nach den bereits in der vorhergehenden Sitzungsrunde erfolgten Beratungen wenig neue Erkenntnisse gibt bzw. gab, wurde dieser Tagesordnungspunkt auf Wunsch der schwarz-grünen Mehrheit sehr schnell ohne größere sachliche Debatte abgehandelt. Die FDP hält die vorgelegte Planung generell (d.h. ganz unabhängig vom Standort betrachtet) architektonisch für sehr gelungen, schick und modern. Jedoch vernichtet ein solches ganz klar wohnnutzungslastiges Projekt an diesem Ort in der Kapellenstraße ein wesentliches mögliches Gewerbeentwicklungsgebiet für Rödermark. Die Bauruine des ehemaligen „Paramount Park“ wird zwar durch das Projekt endlich beseitigt, aber es geht damit im gleichen Atemzug zu Gunsten von Wohnraum eine große Menge an denkbarem/möglichem Gewerbegebiet unwiederbringlich für Rödermark verloren. Natürlich braucht Rödermark auf die mittlere Zukunft auch neuen Wohnraum, aber an dieser Stelle im Stadtgebiet hätte sich für die FDP ein Gebiet mit Gewerbeschwerpunkt aufgedrängt. Die Einleitung des Bebauungsplanes wurde mit den Stimmen von CDU, AL/Grüne und SPD gegen die Stimmen der FW und bei Enthaltung der FDP beschlossen.
Warum hat sich die FDP bei der Abstimmung enthalten?
Das möchte ich Ihnen nachstehend sehr gerne ausführlich erläutern. Hier sehen Sie den Originalgrundriss des Bebauungsplanes mit der Verteilung von Wohungen und Gewerbe; lediglich die zwei magentafarbenen Hinweisfinger wurden zur Verdeutlichung nachträglich eingefügt – der Rest ist unbearbeitet 1:1 so, wie in der öffentlichen Fachausschussitzung durch das Architekturbüro vorgestellt:
Die Gretchenfrage: Mischgebiet oder Wohngebiet?
Wie klar erkennbar ist, firmiert das ganze Projekt dieses vorhabenbezogenen Bebauungsplanes an der Kapellenstraße in Ober-Roden unter dem Arbeitstitel „Mischgebiet Kapellenstraße“. Das klingt sehr kompliziert und ist es leider auch. Der Rechtsbegriff des „Mischgebiet“ kommt aus der Deutschen Baunutzungsverordnung und dort in § 6. Die Baunutzungsverodnung (kurz: „BauNVO“) bestimmt in Deutschland die möglichen Festsetzungen (die Gebäudenutzung bzw. Gebäudeart betreffend) bezüglich Art und Maß der baulichen Nutzungen eines Grundstücks. Es gibt hierbei u.a. Wohngebiete, Gewerbegebiete, Industriegebiete und – wie in unserem Falle – auch Mischgebiete. In einem „Mischgebiet“ nach § 6 der BauNVO stehen die beide Nutzungsarten „Wohnen“ und „Unterbringung von Gewerbe“ gleichberechtigt nebeneinander. Dabei ist die Einschränkung zu beachten, dass die Gewerbebetriebe das Wohnen nicht wesentlich stören dürfen. Diese gesetzliche Einschränkung des nicht-stören-dürfens hat aber keinen quantitativen Charakter; heißt: solange vom Gewerbe (Beispiele: Steuerberater, Softwarefirma, Architekturbüro, Arztpraxis, Restaurant, IT-Dienstleister, etc.) keine wesentliche Störung des „Wohnens nebenan“ ausgeht, können und dürfen beide Nutzungen im Mischgebiet gleichberechtigt koexistieren. Der klare Charakter eines Mischgebietes liegt damit ganz objektiv in der verbundenen Nutzung aus „Wohnen“ und „Gewerbe“. Wie der vom Architekt in der öffentlichen Fachausschussitzung Projekt- und Grundrissplanung jedoch zu entnehmen ist, soll es in dem neuen Bauareal an der Kapellenstraße ein Verhältnis von Wohnen zu Gewerbe von 90% zu 10% geben. Aus Sicht der FDP stellt dieses Gebiet damit keinfalls mehr ein ausgewogenes Mischgebiet dar, denn das Prinzip der „Gleichberechtigtheit“ von Wohnen und Gewerbe kann bei 90% zu 10% objektiv nicht mehr gesehen werden. Bei 90% Wohnnutzung handelt es sich vielleicht formalrechtlich noch um ein Mischgebiet, faktisch aus Sicht der Liberalen aber vielmehr um ein neues Wohngebiet.
Die Planung aus architektonischer Sicht?
Wie bereits im Einleitungstext festgestellt, gefällt das Projekt aus architektonischer und gestalterischer Sicht sehr gut. Hier gibt es aus Sicht der FDP keinerlei Kritikpunkte – lediglich der Standort (das ist nicht Aufgabe des Architekturbüros) bereitet den Liberalen mit Blick auf die auf zukünftige Gewerbeentwicklung in Rödermärker starkes Kopfzerbrechen.
Zukünftige Gewerbeentwicklungsgebiete in Rödermark?
Neben der direkten Kritik der FDP Rödermark, dass es sich bei dem neuen Bebauungsplan an/in der Kapellenstraße in Ober-Roden im Ergebnis nicht um ein Mischgebiet, sondern faktisch um ein neues Wohngebiet handelt, bleibt auch die allgemeine Kritik der FDP Rödermark bestehen, dass in den letzten Jahren Stück für Stück mögliche Entwicklungsfläche für Gewerbentwicklung in Rödermark durch die schwarz-grüne Koalition zu Grabe getragen wurden. Rödermark braucht aus Sicht der Liberalen für die nahe und mittlere Zukunft neben dem nötigen Wohnraum auch ganz dringend neue Gewerbeentwicklungsflächen. Eine solche Fläche wäre das besagte Areal der alten Paramount-Discothek in der Kapellenstraße in Ober-Roden zweifelsohne gewesen. Die direkte Anbindung an den Rödermarkring und der Fakt, dass es keine direkten Wohnanwohner gibt seien nur zwei gute Argumente für den Standort als reines Gewerbegebiet.
Fazit
Die FDP hat sich bei der Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung zur Einleitung des „Bebauungsplan Mischgebiet Kapellenstraße“ enthalten, weil auf der einen Seite die städtebauliche Entwicklung inklusive der Beseitigung der Brandruine des ehemaligen „Paramount Park“ einen wesentlichen Fortschritt für Rödermark bedeutet und die vorgelegte architektonische Planung – generell betrachtet – rundum gelungen ist. ABER auf der anderen Seite wird mit diesem unstrittig fast ausschließlich wohnungslastigen Projekt an dieser Stelle in unserer Stadt erneut wertvolle mögliche Gewerbeentwicklungsfläche auf Dauer verbaut. Da die regierende schwarz-grüne (CDU und AL/Grüne) Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung ohnehin ohne Rücksicht auf die Opposition entscheiden kann, hat sich die FDP nach intensiven internen Debatten dafür entschieden, durch die Enthaltung Ihre Meinung und Position dazu zum Ausdruck zu bringen.