Flächenentwicklung – prosperierende Kleinstadt oder beschauliche Oase der Ruhe?
Spätestens seit mit Beginn des Flüchtlingsstroms Wohnraum knapp wurde, steht die Flächenpolitik wieder verstärkt im Fokus der Kommunalpolitik. Auch in Rödermark ist das so. Vor der Kommunalwahl im März 2016 waren es 2 Parteien, die Entwicklung forderten (FDP und FWR), eine Partei hatte keine klare Linie (SPD), eine Partei spielte den Bewahrer des Ist-Zustandes (AL/Grüne) und eine Partei war an deren Leine und durfte keine eigene Position vortragen. Nach der Kommunalwahl ist vor der Bürgermeisterwahl und die Ausgangslage hat sich scheinbar geändert. Aktuell liegen von allen 5 Fraktionen im Rödermärker Stadtparlament Anträge zur Flächenentwicklung vor, die Ende September erstmals beraten werden. FDP und FWR bleiben bei ihrer Linie, die SPD hat ihre Vorstellungen nun etwas konkretisiert und die CDU hat ihre grünen Fesseln zumindest so weit abstreifen können, dass über Flächenentwicklung wieder nachgedacht wird. Das Thema wird uns noch über Jahre hinaus beschäftigen.
Ich möchte in diesem Blog nicht auf die einzelnen bereits vorliegenden Diskussionsbeiträge und Vorschläge der Fraktionen eingehen, sondern das Thema allgemeiner und mit langfristiger Sichtweise diskutieren. Beginnen möchte ich mit einer Bedarfsanalyse. Im Anschluss möchte ich die rechtliche Ausgangslage beleuchten, obwohl ich hierin kein Experte bin. Danach folgt die praktische Ausgangslage in Bezug auf Rödermark und schließlich ein allgemeiner Lösungsansatz.
Flächenentwicklung – für wen?
Seit Jahrzehnten interessiere ich mich für Bevölkerungsentwicklungen – global, national und lokal. Seit zu Beginn der 1970er Jahre in Deutschland die Geburtenzahlen pro Frau unter die sogenannte Reproduktionsrate gesunken sind, ist klar, dass die Bevölkerung in Deutschland langfristig sinken wird. Dieser Effekt tritt immer zeitverzögert ein, wenn die zahlenmäßig starken Jahrgänge ins Rentenalter kommen und die Sterberate die Geburtenrate (jetzt sind absolute Zahlen gemeint) übersteigt. Deutschland hat das erste Stadium dieses Prozesses seit vielen Jahren erreicht, wir haben landesweit betrachtet einen Sterbeüberschuss. Ohne Zuzug von außen gäbe es hierzulande kein Bevölkerungswachstum mehr, sondern nur Verschiebungen. Dieser Vorgang beschleunigt sich in den nächsten Jahrzehnten deutlich, wenn die zahlenstärksten Jahrgänge aus den 1950er/60er Jahren versterben. Zur Verdeutlichung ein einfaches Zahlenspiel: der Jahrgang 1964 ist mit knapp 1,4 Millionen der zahlenstärkste in Deutschland. Bei einer Lebenserwartung von 80 Jahren würde dieser Jahrgang 2044 sterben. Die aktuellen Schätzungen gehen für 2044 von etwa 600.000 Geburten aus. Macht eine Differenz von ca. 750.000 Personen, d.h. alleine 2044 wird die Einwohnerzahl Deutschlands (ohne Wanderungen) um 750.000 Personen abnehmen, d.h. um fast 1 %. Das ist Fakt und lässt sich nicht mehr verhindern. Die Variable ist alleine die Wanderungsbewegung. Fakt ist auch, dass Deutschland nicht jedes 1 Millionen Flüchtlinge/Migranten aufnehmen kann wie 2015. Einwanderung kann das Problem zwar abmildern, wird aber nicht verhindern können, dass die Gesamtbevölkerung Deutschlands langfristig sinkt. In den letzten 10 Jahren haben sich die Volksdeutschen (sorry für den Begriff, aber er ist an dieser Stelle wichtig) mit 1,4 Kindern pro Frau begnügt, während die in Deutschland lebenden Frauen mit Migrationserfahrung auf 1,9 Kinder kommen. Die Konsequenzen dieses Fakts soll die AfD verwerten, ich will damit nur sagen, dass bei Anhalten dieses Trends und bei der stattfindenden Zunahme des Anteils der Frauen mit Migrationshintergrund auch die Geburtenrate in Deutschland insgesamt leicht steigen wird. Aber selbst, wenn Kinder wieder in sein sollten und die Geburtenrate insgesamt über den Selbsterhaltungswert von 2,1 Kinder pro Frau steigen sollte (was extrem unwahrscheinlich ist), würde die Bevölkerung sinken, da es einfach zu wenige Frauen im gebärfähigen Alter gibt, um den Sterbeverlust ausgleichen zu können.
Jetzt habe ich faktenreich, aber viel zu lang erklärt, dass wir langfristig mit einer Bevölkerungsabnahme zu rechnen haben. Warum brauchen wir dann in Rödermark neuen Wohnraum?
Weil es neben der nationalen Betrachtung auch eine regionale Betrachtung gibt, die sich in unserem Falle stark von der nationalen unterscheidet. Während in den 1970erun 80er Jahren Städte out waren und alles in die Peripherie zog, hat sich dieser Trend wieder umgekehrt. Städte sind wieder hip, die jetzige Generation hat weniger Bezug zu Land und Natur, die Gesellschaft hat sich in dieser Hinsicht stark gewandelt. Eine erneute Umkehr dieses Trends ist nicht in Sicht. Wobei auch hier Stadt nicht gleich Stadt ist. Dieser Trend betrifft vor allem einige wenige Großstädte, während viele Mittel- und Kleinstädte hiervon nicht profitieren können. Frankfurt gehört definitiv zu den Profiteuren. Da die Großstadt diesen Zuzug nicht alleine bewältigen kann, profitiert auch immer die Peripherie. Rödermark und der Kreis Offenbach gehören dazu. Aus diesem Grund wurden die Bevölkerungsprognosen für den Kreis Offenbach in den letzten 10 Jahren mehrfach nach oben korrigiert, zuletzt mit einem deutlichen Sprung im Februar 2016, als die Flüchtlingsströme einberechnet wurden. Der Zeitpunkt des Eintritts der strukturellen Bevölkerungsabnahme wurde dabei immer weiter in die Zukunft verschoben: von 2016 auf 2030 bis aktuell auf 2050. Die letzte Jahreszahl geht von einem Szenario mit einem positiven jährlichen Wanderungssaldo von 500.000 Personen aus, was schon extrem hoch angesetzt und kaum durchzuhalten ist.
Was sind also die Folgen dieser beiden Trends für einen weitsichtigen Stadtplaner? Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass die Einwohnerzahl Rödermarks in den nächsten 15 Jahren um etwa 2000 anwachsen wird, dann sich rund 2 Jahrzehnte auf diesem Niveau einpendelt, um dann wieder kontinuierlich abzusinken. Es besteht also die Aufgabe, in den nächsten Jahren zusätzlichen Wohnraum für 2.000 Menschen zu schaffen. Würde man diesen Wohnraum auf der grünen Wiese entstehen lassen, mit Reihenhäusern, Doppelhaushälften und kleinen Mehrfamilienhäusern, bräuchte man dazu rund 50 ha Land. Wie komme ich auf diese Zahl? Durchschnittlich leben bei uns etwa 2,2 Personen in einer Wohnung. Wenn man für ein Reihenhaus 350 qm, für eine Doppelhaushälfte 250 qm und für ein Mehrfamilienhaus 200 qm Grund für eine Wohnung annimmt, diesen Wert mittelt und durch 2,2 teilt und diese Zahl schließlich wieder mit 2 multipliziert (bei größeren Neubaugebieten werden bis zu 50 % der Flächen für Allgemeinbedarf benötigt (Straßen, Bürgersteige, Begleitgrün, Spielplätze, Wege, Kindergärten, Versorgungseinrichtungen etc.), kommt man auf einen Flächenbedarf von rund 250 qm pro Person, was bei 2.000 Personen 500.000 qm oder eben 50 ha bedeutet.
Diese 2.000 neuen Einwohner wollen auch irgendwo arbeiten. Rödermark verfügt aktuell über rund 130 ha Gewerbeflächen (Quelle: IC Rödermark). Eine einfache Rechnung: 7 % mehr Einwohner = 7 % mehr Gewerbeflächen = 10 ha. Diese neue Fläche braucht man auf jeden Fall, denn mehr Einwohner bedeuten auch mehr Kosten für die Allgemeinheit, vom KiTa-Platz über die Straßenlaterne, die Straßenreinigung, Abnutzung, Verwaltungsaufwand im Rathaus uvm. Entsprechend müssen die Einnahmen über die Gewerbesteuer steigen. Diese 10 ha benötigt man also schon dazu, um seinen Status Quo zu halten. Will man darüber hinaus seine Einnahmesituation verbessern, muss man weiteres Gewerbe anlocken und braucht dementsprechend noch mehr Fläche.
Wo darf gebaut werden?
Rödermark ist eine der 75 Gemeinden des Regionalverbandes FrankfurtRheinMain. Diese 75 Gemeinden haben einen Teil ihrer Planungshoheit an diesen Planungsverbandes abgegeben. Dieser steckt mit der regionalen Flächennutzungsplanung einen engen Rahmen ab, innerhalb dessen die einzelnen Kommunen ihre Flächenplanung betreiben bedürfen. Der zurzeit gültige Flächennutzungsplan 2010 ist seit Anfang 2011 in Kraft. Generell stellt er für die Kommunen ausreichend Reserven für Wohnbau und neue Gewerbegebiete zur Verfügung. Allerdings gibt es beträchtliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden, die vor allem mit der räumlichen Struktur der Kommunen zu tun haben. Rödermark gehört zu den Kommunen, denen eher unterdurchschnittlich Fläche für Flächenentwicklung zur Verfügung stehen. Wobei die Flächenreserven anderer Kommunen durchaus noch geringer sind.
Die Reserven in Rödermark summierten sich laut Regionalverband 2010 insgesamt auf 30 ha, die sich im Wesentlichen auf 6 Bereiche verteilen: Zwischen Kapellenstraße, Rödermarkring und Friedhof (Weißfläche, Kommune entscheidet Art der Bebauung), zwischen Mainzer Straße, Alter Seeweg und Nell-Breuning-Schule (Wohnen, Gemeinbedarf), östlich des Spessartrings (Wohnen), Hainchesbuckel (Gewerbe), südwestlich der Kinzigstraße (Wohnen) und zwischen Victoria und MTV (Sport). Selbst wenn die noch nicht verplante Weißfläche Gewerbefläche würde, bietet der aktuell gültige Flächennutzungsplan weniger als 10 ha potenzielle neue Gewerbefläche und nur maximal 20 qm Wohnbaufläche.
Den meisten Kommunen erscheinen ihre Reserven mittelfristig als zu gering, vor allem im Hinblick auf die im Februar 2016 nach oben korrigierten Prognosen. In Kürze beginnen die Verhandlungen für den nächsten Flächennutzungsplan. Viele Kommunen werden einen höheren Flächenbedarf anmelden als bei der letzten Verhandlungsrunde. Ich gehe davon aus, dass dies auch auf Rödermark zutrifft. Die anstehenden Beratungen über die Anträge der Fraktionen sollen auch die Position Rödermarks in diesen Verhandlungen im Planungsverband vorbereiten. Ich wage die Prognose, dass die Reserveflächen auf der Basis von 2010 zwar vergrößert werden, aber nicht in dem Maße, wie es die Kommunen anmelden werden und gerne hätten. Konkret schätze ich, dass Rödermark nach 2020 über ja 10 ha mehr Reserveflächen für Gewerbe und Wohnen verfügen kann als heute.
Welche Restriktionen gibt es noch? Es ist faktisch ausgeschlossen, in Deutschland Waldfläche zu entwickeln. Addiert man die Wald- zu der schon bebauten Fläche, bleiben nur noch 1/3 der Gemarkungsfläche für die Planung übrig, die heute vor allem Grün- und Ackerland sind. Davon sind wiederum über die Hälfte als Landschaftsschutzgebiet, Wasserschutzgebiet oder Naturschutzgebiet ausgewiesen. In der Praxis besteht keine nennenswerte Chance, dass der Planungsverband auf solchen Flächen Flächenentwicklung erlaubt. Die prinzipiell zur Verfügung stehenden Flächen werden durch einige Besonderheiten weiter reduziert: Hochspannungsleitungen, Umspannwerk, Teiche, Ausgleichsflächen, in der Erschließung unrentable Flächen etc. Andere Flächen haben Nutzungen, die ebenfalls benötigt werden (Kleingärten, Streuobstwiesen, Renaturierungen, Weidenkirche uvm.). Am Ende haben die Flächen, auf die keine dieser harten Kriterien zutreffen, vielleicht eine Größe von 200 ha. Über die Entwicklung eines kleinen Teils dieser Flächen lohnt es sich, ernsthaft zu diskutieren.
Eines muss man an dieser Stelle noch bedenken: die meisten dieser Flächen werden aktuell als Ackerland oder Grünland landwirtschaftlich genutzt. Zwar werden die Besitzer der Flächen selten etwas gegen Beplanung haben, denn Sie profitieren ja finanziell enorm von einer Flächenentwicklung. Der Landwirt ist aber in der Regel nur Pächter, er verliert Produktionsfläche, hat keinen Vorteil von einer Bebauung. Werden einem einzelnen Landwirt z.B. 10 ha seiner Produktionsfläche auf diese Weise genommen, dann kann er durchaus unter die Rentabilitätsschwelle geraten, d.h. es besteht die Gefahr, dass er seinen Hof aufgeben muss. Die bei uns eh schon gebeutelte Landwirtschaft ist damit definitiv ein Verlierer dieser Diskussion. Gibt ein Landwirt auf, entstehen oftmals Brachen. Letztendlich muss irgendwann die Kommune bei Landschaftspflege und Wegeunterhalt einspringen, was Folgekosten für die Allgemeinheit bedeutet. Diese Punkte sollten zwar nicht den Ausschlag gegen eine Flächenentwicklung geben, aber man muss sie im Hinterkopf behalten.
Bebauung in Rödermark – wo macht es Sinn?
Wenn man die Presseberichte der Fraktionen liest, könnte man das Gefühl haben, wer die meisten Flächen bebaut, gewinnt die Wahl. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Flächenentwicklung ist zwar für die Entwicklung von Rödermark von enormer Bedeutung, es eignet sich aber nur bedingt als Wahlkampfthema. Wenn man sich überlegt, wie viele Wähler von einer Flächenentwicklung direkt profitieren, muss man feststellen: sehr wenige. Einige Bauherren, einige Gewerbetreibende, einige, die in Rödermark bauen wollen, einige Grundstückseigentümer. Wenige 100 Wähler. Die meisten potenziellen Bewohner der neuen Wohnungen kommen von außerhalb oder dürfen als Nicht-EU-Ausländer nicht wählen. Der Großteil der restlichen Bevölkerung hat nichts von Neubaugebieten, im Gegenteil, sie reduzieren seine Lebensqualität, es bleibt weniger Raum für Naherholung. Gerade bei Stadtrandbewohner und Hundebesitzer stößt in der Regel jede neue Bebauung auf Ablehnung. Dieser Punkt ist für einige sogar so wichtig, dass sie entgegen ihrer eigentlichen polischen Überzeugung die Partei oder Person wählen, die sich gegen Flächenentwicklung ausspricht. Sprechen wir es deutlich aus. Am Ende könnte dieser Punkt bei der Wahl 2005 sogar den Ausschlag für den heutigen Bürgermeister Kern gegeben haben.
Heißt das jetzt, ein Bürgermeisterkandidat kann nur Erfolg haben, wenn er sich gegen Flächenentwicklung ausspricht? So weit würde ich nicht gehen, den immer mehr Bürger erkennen, dass Entwicklung notwendig ist, um das Erreichte zu erhalten. Nichts tun, bedeutet in diesem Falle Rückschritt. Das wäre unverantwortlich. Entwicklung muss stattfinden, aber in einem verträglichen Maße.
Viele Bürger Rödermarks schätzen an ihrem Wohnort besonders die Naherholungsmöglichkeiten, die Tatsache, dass man von jedem Punkt in weniger als einem Kilometer im Feld und in weniger als 2 Kilometer im Wald ist. Die Wahrung dieser Naherholungsräume sollte dem erfolgreichen Kandidaten ein hohes Gut sein, sie sollten eine sehr hohe Wichtung haben.
Ich sprach anfangs von einem Flächenbedarf von 60-70 ha in den nächsten 15 Jahren, wenn man den Bedarf auf der grünen Wiese mit niedriger Bebauung decken will. Das gibt weder der aktuelle Flächennutzungsplan her noch der künftige noch lässt sich dieser Flächenverbrauch unter den oben genannten Gesichtpunkten den Bürgern vermitteln. Man muss den Bedarf also anders – intelligenter – befriedigen.
Ein Punkt hierbei ist die Innenverdichtung. Innenverdichtung vor Außenverdichtung. Nein, ich bin kein Grüner, aber besonders im dichtbesiedelten Rhein-Main-Gebiet mit rund 1000 Einwohnern pro Quadratkilometer sollte man den Flächenverbrauch so gering wie möglich halten. Aber geht es ausschließlich mit Innenentwicklung? Ich nehme die Antwort vorweg – und hier liegt der große Unterschied zu den Grünen: Nein! Beides muss parallel laufen.
Innenverdichtung, wie jetzt z.B. an der Odenwaldstraße (ehem. Hitzel&Beck-Areal) oder der Kapellenstraße (Paramount-Park bis Saunabetrieb) reduziert den Flächenverbrauch, bringt aber auch andere Probleme mit sich (Parkplatznot, höhere Lärmbelastung). Dennoch gibt es noch einige geeignete Flächen für eine Innenverdichtung. Da ist z.B. das Areal zwischen Odenwaldstraße und Bahnfläche, was als Gewerbefläche ausgewiesen ist, aber schon heute überwiegend zum Wohnen benutzt wird. Gallusheim und ehem. HL/Penny/Dornheim in Urberach werden aktuell bebaut, anch dem Umzug auch das Areal des Kindergartens am Motzenbruch.
Stand 1.11.2014 gab es in Rödermark 141 Baulücken, d.h. unbebaute Baugrundstücke. Auch das ist ein erhebliches Potenzial zur Innenverdichtung. Allerdings kann man niemanden vorschreiben, sein Grundstück auch zu bebauen. Und die meisten Eigentümer scheinen nicht zu wollen. Denn sonst gäbe es bei Preisen von bis zu 400 €/qm nicht so viele Baulücken im Stadtgebiet.
Weiteres Potenzial schlummert darin, ältere, nicht mehr zeitgemäße Gebäude auf großen Grundstücken abzureißen und durch moderne Gebäude mit mehr Wohnungen zu ersetzen.
Ich schätze, dass sich über die Hälfte des Bedarfes von 900 Wohnungen in den nächsten 15 Jahren durch Innenverdichtung darstellen lässt. Für den Rest werden bisher unbebaute Flächen benötigt. (Anmerkung: Es sei denn man beweist in Zukunft mehr Mut. Z.B. hätten die Erwerber der Odenwaldstraße 40-46 und die Stadt diesen beweisen können. Ein Rödermarktower neben dem Bahnhof, ein 35 Stockwerke hoher Wohnturm, Tiefgarage mit 2 Ebenen, Gastronomie und Kleingewerbe im EG, darüber 300 Wohnungen in allen Preislagen – das wäre mal ein Wahrzeichen gewesen, das Rödermark bekannt gemacht hätte. Ich hätte wohl dafür gestimmt. In Rödermark leider undenkbar.)
Auch bei Gewerbe besitzt Innenentwicklung großes Potenzial. Ich höre immer wieder von Leuten, die durch unsere Gewerbegebiete gefahren sind: „wie könnt ihr eigentlich neue Gewerbegebiete fordern, wenn hier riesige Flächen frei stehen und überall ‚zu vermieten’ dransteht“. Wir können nicht nur, wir müssen sogar, weil diese Flächen in der Regel zu unserem großen Bedauern nicht auf dem Markt sind. Gerade expansionswillige Bestandsunternehmen sollten schon aus finanziellen Gesichtpunkten in der Stadt gehalten werden. Daher muss die Stadt in die Lage versetzt werden, ihnen auch geeignete Flächen für die Expansion anbieten oder vermitteln zu können. Ich habe das Gefühl, unsere Wirtschaftsförderung versucht sehr viel, um auch private Grundstücke zu vermitteln bzw. auf den Markt zu bringen. Immer ist das – genauso wie bei den Wohnbaugrundstücken –nicht möglich. Genauso verhält es sich mit leerstehenden älteren Büro- oder Produktionsgebäuden. Abriss oder Sanierung sind mit erheblichen Kosten verbunden, die sich im Vergleich zu einem Neubau auf der grünen Wiese selten rechnen, da die Alteigentümer nur selten mit ihren Forderungen so weit heruntergehen, dass dieser Nachteil ausgeglichen wird. Und solange irgendwo im Umkreis eine grüne Wiese zur Verfügung steht, bleibt dieser Faktor entscheidend. Die Leerstände in den Gewerbegebieten werden deshalb aus marktwirtschaftlichen Gesichtpunkten tendenziell eher zunehmen. Macht man als Kommune bei diesem Spiel nicht mit, verliert man schnell wichtige Gewerbesteuerzahler, was zu Lasten aller geht.
Ein weiteres Problem ist, dass viele Gewerbetreibende ihre Wohnung auf dem Betriebsgrundstück haben, nun im Rentenalter sind und lieber ihre ehemaligen Betriebsgebäude leer stehen lassen als neben einem fremden Betrieb zu wohnen. Auch gibt es diverse 5.000 qm große Gewerbegrundstücke, von denen effektiv nur 500 qm genutzt werden. Doch es gibt keine Handhabe gegen die Eigentümer, wenn diese mit dem Ist-Zustand zufrieden sind. Fazit: Es gibt erhebliches Potenzial in den bestehenden Gewerbegebieten, aber es ist unglaublich mühselig und schwer, dieses Potenzial zu heben. Verlassen kann man sich nicht darauf. Daher kann man mit diesen Flächen leider auch nicht planen.
Vorgriff: konkrete Planung in Rödermark
Wie die vorhergehenden Kapitel dargelegt haben, muss bei der Flächenplanung sehr vieles berücksichtigt werden. Ich habe noch längst nicht alle Details genannt. Es müssen diverse Dinge gegeneinander abgewogen werden, bevor eine Fläche zur Bebauung vorbereitet werden kann. Und es dauert noch einmal mehrere Jahre, bis eine Bebauung in der Praxis beginnen kann. Im Vorletzten Kapitel möchte ich einige Szenarien aufzeigen, wie die Entwicklung in Rödermark aussehen könnte.
Aus meinen Darlegungen folgend geht die FDP von einem Bedarf an Gewerbegebieten bis 2030 von mindestens 15 ha und an Wohnbauflächen von 20-25 ha aus. Wo können diese nun dargestellt werden? In erster Linie dort, wo schon im aktuellen Flächennutzungsplan Bebauung zulässig ist. Bei Gewerbe heißt das am Hainchesbuckel, wobei fast die Hälfte der potenziellen Fläche schon durch die Firma Rügemer genutzt wird, und zwischen Kapellenstraße, Rödermarkring und Friedhof, wobei auch hier der Bestand sich in Wohnbebauung wandelt wird und die Fläche durch Ausgleichsflächen nicht voll nutzbar sein wird.
Bei der Wohnbebauung ist ein Teilstück am Ortsausgang Ober-Roden Richtung Urberach westlich der Ricarda-Huch-Straße bereits in Planung, die Erweiterung möglich und auch das Areal südwestlich der Kinzigstraße dürfte bebaut werden. Das wären im günstigsten Falle 9 ha Gewerbeentwicklung und 9 ha Wohnbebauung. Es fehlt also noch einiges.
Exkurs: Grüne Mitte
In der politischen Diskussion spielt die sogenannte Grüne Mitte eine große Rolle. Für die einen ist Sie absolutes Tabu, was Bebauung angeht, für die anderen bietet Sie Optionen. Das Problem dabei: es gibt keine allgemein anerkannte Definition der grünen Mitte zwischen Ober-Roden und Urberach.
Nach der Gebietsreform 1977 mit der Zusammenlegung vieler vorher eigenständiger Gemeinden haben einige neu entstandene Städte die Chance genutzt, und zwischen 2 Gemeindeteilen ein neues Stadtzentrum geschaffen. Die Siedlungsflächen sind, wie z.B. Dietzenbach und Steinberg, zusammengewachsen. In Rödermark war das nicht gewollt, man hat, als dies möglich war, nicht die nötige Schritte eingeleitet, wollte die Eigenständigkeit der beiden größten Stadtteil betonen. Heute ist dieser Zug aus meiner Sicht definitiv abgefahren. Der Bereich zwischen den beiden Stadtteilen wird intensiv als Naherholungsraum genutzt und bietet im Vergleich mit anderen Arealen in Rödermark eine große natürliche Strukturvielfalt mit der entsprechenden Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt. Sie hat zudem eine besondere Klimafunktion (Kaltluftzufuhr für Ober-Roden). Aus diesen Gründen kommt für mich und die FDP eine großflächige Bebauung dieser grünen Mitte nicht in Frage. Unser Bürgermeisterkandidat Tobias Kruger hat mit mir zusammen einmal zum einen die Grüne Mitte aus unserer Sicht exakt definiert, zum anderen potenzielle Entwicklungsflächen, die heute noch nicht alle im Flächennutzungsplan enthalten sind, ausgedeutet. Tobias Kruger wird diese Vorstellungen bezüglich der Grünen Mitte in Kürze der Öffentlichkeit mitteilen. So viel vorweg: wir reden grob gesprochen über das Gebiet zwischen Albert-Einstein-Straße und Kapellenstraße. Ausgenommen der geplanten Bebauung westlich der Ricarda-Huch-Straße mit eventueller Erweiterung bis zur Mainzer Straße und zur Nell-Breuning-Schule sollte es hier aus unserer Sicht maximal kleinere Arrondierungen geben, aber kein neues großes Baugebiet. Dies betrifft auch die Fläche östlich des Spessartrings, die im aktuellen Flächennutzungsplan noch als Wohnbauvorratsland eingezeichnet ist.
Wo können also die benötigten Flächen bereitgestellt werden?
Im Falle der Gewerbeflächen ist die Sache einfach. Eine Ausweitung des bestehenden Gewerbegebietes in Ober-Roden ist bei den bestehenden Einschränkungen (Wald, Grüne Mitte) nicht mehr möglich. Eine Vergrößerung des Gewerbegebietes in Urberach über die Vorratsflächen auf dem Hainchesbuckel hinaus ist theoretisch möglich, allerdings handelt es sich nur um rund 3 ha. Wir reden also von einem völlig neuen Gewerbegebiet auf der grünen Wiese. Es gibt auf dem Gebiet der Stadt Rödermark genau eine Stelle, wo dieses theoretisch denkbar ist: links und rechts der B486 nach dem Waldstück Richtung Offenthal. Das Gebiet wird aktuell landwirtschaftlich genutzt, wird von Hochspannungsmasten und der Dreieichbahn begrenzt und könnte rund 10 ha Gewerbefläche zur Verfügung stellen. Die Erschließung (Wasser, Kanal) dürfte trotz der hervorragenden Verkehrsanbindung schwierig und teuer werden und es ist völlig unsicher, ob der Planungsverband hier mitspielen würde. Aber dieses Gebiet stellt aus meiner Sicht die einzige brauchbare Option dar.
Bei der Wohnbebauung sind die Optionen vielfältiger: An vielen Stellen im Stadtgebiet sind kleinere Arrondierungen möglich, kleinere Flächen von wenigen 1000 qm, die an eine vorhandene Bebauung anschließen. Theoretisch denkbar ist Bebauung in kleinem Maße auch entlang einiger Ausfallstraßen. Das Potenzial dieser kleineren Bebauungen liegt bei bis zu 20 ha, würde also in Kombination mit den erstgenannten Gebieten den Bedarf abdecken können. Diese Gebiete sollen nun von der Stadt in Rahmen des noch zu beschließenden Rödermarkplans ausfindig gemacht, benannt und bewertet werden. In der Praxis können dabei viele Hindernisse auftreten: Es müssen Lärmschutzvorschriften eingehalten werden, die zum Bau von Lärmschutzwänden an den unmöglichsten Stellen führen könnten; es muss für alle Baumaßnahmen auch Flächen und Ideen für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen geben; Eigentümer der Flächen könnten sich gegen einen Verkauf aussprechen oder zu hohe Preise fordern; im Rahmen der Bauleitverfahren könnten Einwände kommen, die die Entwicklung so erschweren, dass diese eingestellt wird; der Planungsverband könnte sich grundsätzlich gegen eine Erweiterung der Vorratsflächen aussprechen und, und, und.
Fazit
» Es gibt kurz- und mittelfristig einen erheblichen Bedarf an Wohnbau- und Gewerbeflächen in Rödermark, der durch das Angebot im Bestand nicht abgedeckt wird.
» Will Rödermark nicht den Anschluss verlieren, muss jetzt die mittelfristige Flächenplanung in Angriff genommen werden. Sonst wird Rödermark aufgrund abwandernder Firmen und Verschlechterung der Versorgungsinfrastruktur Probleme bekommen, seine sozialen Aufgaben mit den dann stagnierenden Einnahmen zu erfüllen.
»; Dabei muss immer im Hinterkopf bleiben, dass langfristig der Bedarf aufgrund sinkender Bevölkerungszahlen stagnieren bzw. sogar annehmen wird und dann durch Umbau bereits bebauter Flächen dargestellt werden kann. Es macht keinen Sinn, über den Bedarf Flächen bereit zu stellen. Sonst haben wir in 40 Jahren riesige Leerstände in den Stadtzentren.
» Im Idealfall geling es, die ungenutzten und wenig genutzten Gewerbeflächen in den vorhandenen Gewerbegebieten zu aktivieren und den Bedarf fast vollständig daraus zu decken. Dafür gibt es aber keine Garantie und keine gesetzliche Handhabe.
» Die Entwicklung neuer Gewerbeflächen ist unter den gegebenen Umständen sehr schwierig und von vielen von der Stadt nur bedingt beeinflussbaren Faktoren abhängig. Dennoch muss aus meiner Sicht alles Notwendige unternommen werden, um in naher Zukunft expansions- und ansiedlungswilligen Firmen als Stadt Rödermark Angebote machen zu können.
» Der Bedarf an Wohn- und Allgemeinflächen ist aktuell sehr groß und wird auch in den nächsten Jahren nicht kleiner werden. Auch durch die hohe Zuwanderung bedingt fehlt Wohnraum, vor allem in der niedrigeren Preislage. Um die Wohnungsnot zu lindern, ist schnelles Handeln erforderlich. Daher müssen jetzt Beschlüsse gefasst werden, um schon in den nächsten Jahren veräußerbares Bauland zu haben.
» Auch beim Wohnungsbau muss ein Großteil des Bedarfes durch Innenverdichtung bereitgestellt werden. Mit einer ausschließlich ein- bis zweigeschossigen Bauweise würde der Flächenbedarf zu groß, daher muss an geeigneten Stellen auch über größere Einheiten mit mehreren Stockwerken nachgedacht werden.
» Die Grüne Mitte sollte von einer großflächigen Bebauung freigehalten werden. Auch die für die Naherholung wichtigen Gebiete östlich der Seligenstädter Straße und westlich Im Jochert sollten von weiterer Bebauung verschont bleiben.
» Der Verkauf von städtischen Baugrundstücken finanziert seit Jahren den Großteil der städtischen Investitionen. Die Erschließung von kleineren Baugebieten bis 3 ha und von Arrondierungen kleiner 0,5 ha, wie ich sie präferieren würde, ist aufwendig und kostenintensiv, so dass in der Regel kein finanzieller Vorteil für die Stadt entstehen würde. Da diese aber wesentlich verträglicher erscheinen und besser ins Stadtbild passen würden als ein großes Neubaugebiet auf der grünen Wiese, sollte man diesen Weg dennoch gehen.
» Die FDP möchte Rödermark nicht zubetonieren, wie uns mancher vorwirft. Wir haben nur schon seit langem die absolute Notwenigkeit einer maßvollen Entwicklung für die Stadt und deren Finanzen erkannt und immer wieder eingefordert. Wir werden nicht jeder Idee einer Bebauung zustimmen, sondern diese eingehend auf deren Notwendigkeit und Verträglichkeit mit Landschaftsbild, Naturschutz und dem Naherholungswert für unsere Bürger prüfen. Mit uns ist die notwenige Entwicklung möglich, wir forcieren sie, aber nicht um jeden Preis.
Ich bin gespannt, was der Rödermarkplan der Koalition bringen wird und ich freue mich über die Diskussionen über dieses spannende Thema in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren.
Dr. Rüdiger Werner
FDP Rödermark
September 2016
Die Grüne Mitte nach Definition von Bürgermeisterkandidat Tobias Kruger geht vom Eichenbühl bis über den Alten Seeweg hinweg. Dieser Raum soll der Naherholung vorbehalten werden. Die darin befindliche Wohnbauvorratsfläche östlich des Spessartrings soll als Tauschfläche für andere Gebiete, die bezüglich Naherholung und Naturschutz weniger kritisch sind, genutzt werden.
Gelb: Grüne Mitte; Orange: Wohnbauvorratsflächen laut regionalem Flächennutzungsplan (RegFNP) (für das Areal am alten Festplatz Ober-Roden wird die Satzung demnächst rechtsgültig); Cyan: Gewerbevorrats- bzw. Weißflächen (Nutzungsart bleibt der Stadt vorbehalten) nach RegFNP (für das Perlite-Gelände nahe dem Badehaus gibt es einen gesonderten Stadtverordnetenbeschluss); Pink: Vorratsflächen für Allgemeinbedarf und Sport nach RegFNP