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Blogbeitrag

Über den Umgang mit der Türkei und warum für mich eine türkische Partnerstadt nicht in Frage kommt

Wenn man sich mit der Türkeifrage auseinandersetzt, kommt man nicht umher, einen Blick zurück in die jüngere Geschichte des Landes zu werfen. Ich will versuchen, ein paar Punkte zu benennen, die als Hintergrund zur Beurteilung der heutigen Situation wichtig sind, ohne dabei Geschichtslehrer sein zu wollen. Auch möchte ich die Lage in der Türkei nicht im Detail beschreiben oder beurteilen. In den letzten Jahren gab es dazu 100 Kommentare und Berichte in den Zeitschriften, im Internet, im Fernsehen, die wahrscheinlich alle einen tieferen Einblick haben als ich. Ich möchte allerdings eine persönliche Bewertung vornehmen und die Gründe erläutern, die mich zu meiner Haltung gebracht haben und damit den Bogen zur aktuellen Kommunalpolitik spannen, wo die FDP den Antrag gestellt hat, die Diskussion um eine türkische Partnerstadt zu beenden und der offiziellen Anfrage von Hekimhan eine Absage zu erteilen.

Die Entwicklung der Türkei in den letzten 20 Jahren
In den 90er Jahren gab es in der Türkei 3 politische Strömungen: eine konservativ nationalistische (Süleyman Demirel, Mesut Yilmaz, Tansu Çiller – ANAB, DYP), eine sozialdemokratisch-sozialistische (Bülent Ecevit – DSP, CHP) sowie eine islamistisch-nationalistische (Nezmettin Erbakan, Abdullah Gül, Recep Tayyip Erdoğan – MSP, DP, FP, AKP). Aus meiner Erinnerung heraus gab es ständige Wechsel in den Ämtern des Ministerpräsidenten sowie des Staatspräsidenten. Als 1996 mit Erbakan erstmals Islamist eine Mehrheit organisieren konnte, brachte das das Militär sowie die Gerichtsbarkeit auf den Plan, die sich als Hüter der kemalistischen Türkei sahen und auf eine strenge Trennung zwischen Staat und Religion achteten. Erbakan wurde zum Rücktritt gedrängt, die DP verboten, der Sozialist Ecevit übernahm. Im Hintergrund kämpften die Islamisten um ihre Rechte, aufgrund nicht verfassungskonformer Wahlkampfäußerungen wurde damals auch Erdoğan zu 10 Monaten Haft verurteilt und mit einem Mandatsverbot belegt. Aus der DP wurde die FP, die 2001 verboten wurde. Der Streit unter den Islamisten führte zu einer Spaltung und der Gründung der AKP durch Erdoğan. Ein Machtkampf zwischen Ecevit und dem damaligen Staatspräsidenten Ahmet Sezer verbunden mit einer Bankenkrise führte 2001 zu einer ernsten Wirtschaftskrise. Aus dieser Gemengelage heraus – Hyperinflation, hohe Arbeitslosigkeit, zerstrittene Sozialisten, zersplitterte Konservative, Korruption, ständige Einmischung des Militärs, keine Kontinuität in der Führung des Landes, wirtschaftliche Schwäche – wollten die Türken vor allem eines: Ruhe und Kontinuität. Deshalb wählten Sie 2002 die AKP an die Macht. Mit ihrer Mehrheit änderte die AKP erst einmal die Verfassung derart ab, dass das Politikverbot für Erdoğan und andere aufgehoben wurde. Was dann geschah, beeindruckte die meisten Türken. Erdoğan schaffte es tatsächlich, Stabilität und Kontinuität hineinzubringen. Er erkannte, dass als erstes die Wirtschaft auf Vordermann gebracht werden musste, bevor er sich um eine Islamisierung kümmern konnte. Und er hatte mit seinem wirtschaftsliberalen Kurs erstaunliche Erfolge aufzuweisen. Die Wirtschaft wuchs bereits in den ersten Jahren seiner Regierungszeit deutlich. Das Bruttoinlandsprodukt hat sich mehr als verdoppelt, die neue türkische Lira ist einigermaßen stabil, die Hyperinflation ist vorbei. Was er nicht beseitigen konnte ist – trotz enorm gestiegener Exporte – das hohe Leistungsbilanzdefizit. Die meisten dieser Erfolge konnten bis 2012 erzielt werden. Seitdem sind die Wachstumsraten abgeschwächt, der Wert der türkischen Lira hat sich in den letzten 5 Jahren im Vergleich zum US-Dollar halbiert. Vielleicht ist es auch diese fehlende Phantasie, wie er sein Volk mit weiteren Wirtschaftswunderdaten beglücken kann (und damit ein wichtiges Wahlargument mehr und mehr verschwindet), die den Wandel hin zur Abschaffung der Demokratie in den letzten 5 Jahren mit verursacht hat.

Die Türkei überschreitet Grenzen
Als Ecevit und Erdoğan zu Beginn des Jahrtausends den EU-Beitritt der Türkei forcierten, war ich zwiegespalten. Auf der einen Seite ließe sich das Land so mehr an Europa und unsere Wertegemeinschaft heranführen, der Laizismus der Türkei wäre gefestigt, da eine komplette Islamisierung in der EU nicht möglich wäre. Auch die wirtschaftlichen Daten sprachen Mitte/Ende des letzten Jahrzehnts eher für eine Aufnahme. Mit nun rund 80 Millionen Menschen ist die Türkei ein riesiger Markt, das Pro-Kopf-Einkommen ist höher als in den EU-Staaten Rumänien und Bulgarien. Auf der anderen Seite sehe ich die EU nicht nur als Wirtschaftsunion, sondern auch als Wertegemeinschaft, die trotz einer enormen Vielfalt auf regionaler Ebene doch auch eine ähnliche Kultur aufweist. Das sah ich schon damals bei der Türkei nicht. Es ist ein anderer Kulturkreis, eine andere Religion, die trotz des Laizismusses stärker im Blickfeld steht als in Westeuropa, eine Turksprache und keine indogermanische Sprache. Die Angst vor dem Andersartigen ist daher bei den Türken in vielen Bevölkerungsschichten weit mehr vorhanden als bei z.B. Serben, Albaner oder Ukrainer, die auch gerne in die EU möchten.
Während die Türkei zu Beginn des Jahrtausends noch Kompromisse einging und versuchte, einen Teil der Forderungen der Europäer für eine EU-Aufnahme zu erfüllen (z.B. Abschaffung der Todesstrafe im Zuge der Özalan-Debatte), schwand diese Bereitschaft im letzten Jahrzehnt merklich bis zur Unkenntlichkeit. Für mich und viele andere von zentraler Bedeutung sind dabei Rechte wie Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, aber auch die Anerkennung von Schuld. Den Genozid an den Armeniern im 1. Weltkrieg zu leugnen ist in meinen Augen fast so pervers wie den Genozid an den Juden im 2. Weltkrieg zu leugnen. Wo genau ist das Problem dabei? Viele Nationen haben einen Schandfleck in ihrer Geschichte, haben das zugegeben und verarbeitet. Es geschah im Osmanischen Reich, nicht mal in der Türkei und es geschah in Kriegszeiten.
Ein weiteres zentrales Problem ist der Umgang mit Minderheiten im eigenen Land. Die territoriale Integrität des Landes steht in der türkischen Verfassung ganz weit oben. Aber das als Grundlage zu nehmen, die größte Minderheit zu unterdrücken und zu vernachlässigen, kann nicht sein. Nur 70 % der in der Türkei lebenden Menschen gehören der türkischen Volksgruppe an, die Türkei ist ein Vielvölker- und ein Vielsprachenstaat. Wie kann es sein, dass nur 1% der Einwohner als Minderheit anerkannt sind? Was sind die anderen 29 %? Wie kann es sein, das ein Sprache, die für über 10 Millionen Menschen Muttersprache ist (Kurmandschi) nicht als Amtssprache anerkannt ist? Gleiches gilt für die zweite Kurdensprache Zaza. Wenn man ein 15-Millionen-Volk systematisch unterdrückt, Kurdische Fernsehsender und Zeitungen verbietet, kurdische Politiker und Journalisten inhaftiert (ich rede nicht von den letzten 2 Jahren), braucht man sich nicht zu wundern, dass man Widerstand erntet, dass man auch bereit ist in den Untergrund zu gehen und für seine Rechte zu kämpfen. Erst züchtet man sich also durch sein eigenes Verhalten einen Staatsfeind Nr. 1 (die kurdische Arbeiterpartei PKK), um dann für alles und jedes einen Vorwand zu haben, um demokratische Regeln außer Kraft zu setzen. PKK = Terroristen, Kontakt zu PKK = Terrorist, potenzieller Kontakt zu PKK = Terrorist, Terrorist, da man ja prinzipiell die Möglichkeit gehabt hätte, mit jemanden Kontakt aufzunehmen, der potenziell Kontakt zur PKK hat.
Meine Theorie ist: Würde man die Kurden nicht seit Jahrzehnten wie Staatsbürger 2. Klasse behandeln, hätte man ein Wahlsystem, bei dem auch Vertreter von Minderheiten eine Chance hätten (Abschaffung 10%-Hürde z.B.), würde man die Kulturen der Minderheiten gleichberechtigt sehen und behandeln anstatt diese zu unterdrücken, hätten wir die meisten der heutigen Probleme nicht.
Ich sehe die Rolle der Türkei im Syrienkonflikt sehr kritisch. Offiziell erklärt man den IS zum Feind und bombardiert ihn ab und zu, inoffiziell hat man jahrelang Waffenlieferungen an den IS zugelassen. Der IS war aus 3 Gründen opportun: er hat zumindest im Namen das Wort „Islamisch“, er kämpft gegen das türkische Feindbild Assad in Syrien und vor allem er kämpft gegen die Kurden in Nordsyrien und im Nordirak und hält diese somit klein. Denn was ist das schlimmste, was der Türkei passieren kann? Nach dem 2. Irakkrieg nutzte die kurdische Minderheit im Nordirak das 10-jährige Machtvakuum und operiert seitdem weitgehend autonom, anfangs mit großem wirtschaftlichen Erfolg. Eine funktionierende Autonomie der Kurden im Nordirak würde auch den Wunsch der türkischen Kurden nach mehr Autonomie, ja vielleicht sogar nach einem eigenständigen Kurdenstaat fördern. Durch den Kampf mit dem IS ist der Aufschwung in den irakischen Kurdengebieten zusammengebrochen. Aber das ist der Türkei noch nicht genug. Da die kurdischen Peschmerga es trotz schlechter Ausrüstung als einzige geschafft haben, den IS zurückzudrängen und ihr Territorium weitgehend zu befrieden, unterstützt man halt den IS darin, angebliche PKK-Stellungen im Nordirak zu bombardieren. In einer Reportage vor ein paar Wochen wurde behauptet, die Türkei hat in den letzten 3 Jahren mehr Angriffe auf Stellungen der Kurden als auf Stellungen des IS geflogen. Das sagt alles.

Mein Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat die Reaktion auf die Bundestagsresolution zum Völkermord an den Armeniern vor 2 Jahren. Endlich hat der Bundestag mal den Mut gehabt, etwas auszusprechen, was anderen Mächten auf dieser Welt nicht passt. Wenn der höchste Deutsche Souverän, einfach nur eine Feststellung macht, die der historischen Wahrheit entspricht und die Türkei daraufhin den höchsten deutschen Souverän wüst beschimpft und es Vertreter des Deutschen Bundestages nicht gestattet, ihre Soldaten auf dem NATO-Stützpunkt in Incirlik zu besuchen. Und nach diesem unglaublichen Vorfall eines angeblichen NATO-Verbündeten diskutieren wir hier wochenlang um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker, die Werbung für ein noch undemokratischeres System machen wollen?
Die jüngste Geschichte kennt jeder: Einschnitte in die Versammlungs- und Pressefreiheit, Putschversuch, Ausnahmezustand, großangelegte Säuberungs- und Entlassungswelle, Böhmermann-Affäre, staatliche Medienkontrolle, Nazi-Beschimpfungen gegenüber Europa, Verfassungsreferendum hin zu einer Präsidialdiktatur.

Der Kampf um Werte
Ein Berufspolitiker steht in einem ständigen Konflikt: Was wiegt stärker – die Vertretung der Interessen meines Landes oder das Stehen hinter meinen Grundwerten? Auf der einen Seite hat die Bundesrepublik Deutschland ein großes Interesse an einer funktionierenden Beziehung mit der Türkei als NATO-Partner in dem politischen Brennpunkt des Kontinents, als wichtiger Wirtschaftspartner (drittwichtigster außereuropäischer Handelspartner) und als Abstammungsland von fast 3 Millionen Mitbürgern in Deutschland. Auf der anderen Seite stehen die Werte des Grundgesetzes, die für jeden das höchste Gut sein sollten, für die es sich zu kämpfen lohnt. Wie geht man nun um mit Staaten und Politikern, die sich im eigenen Land um Grundrechte oder gar das Völkerrecht nicht scheren? Die mit purer Macht und Gewalt ihren Willen durchsetzen. Auf beiden Augen blind und durch? Reicht ein „du, du, du, das macht man aber nicht – kommen wir nun zum Geschäft“? Oder ist man gegebenenfalls sogar bereit, die Werte an die erste Stelle zu stellen und die Interessen hinten anzustellen – mit möglicherweise negativen Konsequenzen für das eigene Wahlvolk?
Meine Antwort darauf ist ganz klar: meine Grundwerte, die Werte des Grundgesetzes sind nicht verhandelbar. Als Vertreter einer freiheitlichen Partei ist der Freiheitsbegriff für mich eminent, die persönliche Freiheit des einzelnen ist in all ihren Aspekten zu wahren und ein Unrecht wird nicht dadurch rechter, nur weil es von einem wichtigen Verbündeten oder einem wichtigen Handelspartner begangen wurde. Ich wünsche mir hier Politiker, die klare Kante zeigen und auch bereit sind, die Konsequenzen dafür zu tragen. Mir hat es gut gefallen, dass Außenminister Sigmar Gabriel mit israelischen NGO’s gesprochen hat.
Populisten haben auch deshalb Aufwind, weil sie oftmals kein Interesse an den staatlichen Interessen haben, weil sie die Welt mit einem klaren Schwarz-Weiß-Bild vereinfachen, klare Positionen – scheiß auf die Konsequenzen! So weit würde ich jetzt nicht gehen, klare Kante heißt nicht Holzhammermethode, aber ein bisschen mehr Bosbach und weniger Merkel dürfte es in Berlin schon sein. Mir ist dein Einstehen für meine Grundwerte auch außerhalb Deutschlands wichtiger als 50 € mehr im Portmonee.
Im Falle der Türkei heißt das, die Grenzen ganz deutlich zu ziehen. Einreisestopp für alle türkischen Politiker, solange es keine offiziellen Entschuldigungen für diese Nazi-Vergleiche gibt. Sofortige Beendigung der EU-Beitrittsgespräche. Keine deutschen oder EU-Finanzmittel mehr nach Ankara. Abzug aller deutschen Soldaten aus der Türkei. Unterstützung der türkischen Zivilgesellschaft bei ihrem Kampf um ihre Grundrechte. Ich würde sogar soweit gehen und Erdoğan anklagen wegen Beleidigung und Volksverhetzung. Ein internationaler Haftbefehl gegen den gewählten türkischen Staatspräsidenten wäre ein klares Zeichen, dass er alle denkbaren Grenzen überschritten hat und er sich damit international isoliert hat. Wenn jemand merkt, er kommt mit Grenzüberschreitungen durch, dann wird es für ihn auch keine Grenzen mehr geben. Und schlimmer als heute geht immer.
In meinen Augen müsste auch ein NATO-Ausschluss diskutiert werden. Es kann nicht sein, dass die Peschmerga von den meisten NATO-Staaten unterstützt, aber von der Türkei bombardiert wird.

Türken in Deutschland
Ich hatte in meiner Studienzeit das Vergnügen, einige Wochen lang ein paar Studentinnen der türkischen Partneruniversität betreuen zu dürfen. Das waren lebenslustige, modisch gekleidete und geschminkte junge Frauen ohne Kopftuch, die sich verstört über die in Deutschland lebenden Türken gezeigt haben. „So ist meine Oma vor 40 Jahren rumgelaufen“, lautete die nun schon 20 Jahre alte Aussage. Ich weiß noch, wie eines der Mädchen seine Verwandtschaft in Deutschland als „antiquated and backward“, also rückständig bezeichnete. Nun kamen die Mädels aus einer Großstadt und hatten vielleicht auch keinen objektiven Blick, aber eines kann man bei einem größeren Teil der hier lebenden Mitbürger türkischer Abstammung schon sagen: sie sind in der kulturellen Entwicklung stehen geblieben. Fernab der Heimat in der Fremde sucht man Geborgenheit, das Verbindende – und das findet man häufig in der Kultur der Heimat, den Traditionen aus der Kindheit, die man pflegt, um Halt im Leben zu haben, oft ohne zu merken, dass die Entwicklung in der Heimat weitergegangen ist und man hier nun durchaus rückständig ist.
Das betrifft den einen Teil der Türken, die obwohl teilweise schon 50 Jahre im Land, sich ausschließlich als Türken sehen, die deutsche Staatsbürgerschaft ablehnen und sich auch sonst nicht wirklich in die deutsche Zivilgesellschaft integriert haben. Der andere Teil ist kulturell assimiliert, hat meist die deutsche Staatsbürgerschaft und ist außer vom Namen her kaum noch als Türke oder Türkin wahrnehmbar. Meine These ist daher: hätten alle türkisch-stämmigen Bürger in Deutschland bei der Wahl zum Verfassungsreferendum teilgenommen, hätte es eine klare Mehrheit gegen Erdoğan gegeben. Aber teilnehmen durften ja nur die diejenigen mit türkischem Pass und auch davon hat nur die Hälfte teilgenommen. Ich bin in der Wahlperiode etwa zehnmal am türkischen Konsulat in Frankfurt vorbeigefahren, wo meist eine Schlange an wahlberechtigten Türken davorstand. Und das war mehrheitlich tatsächlich (und dem Klischee entsprechend) die Fraktion der bärtigen Männer und kopftuchtragenden Frauen. Insofern wundern mich die 60 % Zustimmung aus dem Frankfurter Wahllokal nicht wirklich.
Gerade in der Ferne entwickelt man ein besonders starkes Heimatgefühl, man wünscht sich ein starkes Heimatland, das einen mit Stolz erfüllt. Ein Lautsprecher und Populist wie Erdoğan wird da gerne genommen, da der Blick auf die Realitäten in der Heimat oft verklärt ist. Ein türkischer Mieter hat mir z.B. felsenfest erklärt, dass die medizinische Versorgung in der Türkei besser wäre als in Deutschland.
Ein weiterer äußerst wichtiger Punkt ist die Kontrolle der Medien. Im Handbuch für Diktatoren steht auf Seite 1: Bringe die Medien unter deine Kontrolle. Das hat Erdoğan erst schleichend und in den letzten Monaten für alle sichtbar getan. Regierungskritische Medien sind kaum noch vorhanden, kritische Journalisten reihenweise hinter Gittern, die wichtigsten Medien komplett unter staatlicher Kontrolle und auch das Internet wird zensiert. Seit dem 1. Mai ist sogar Wikipedia gesperrt. „Die türkischen Behörden hätten Wikipedia aufgefordert, bestimmte Autoren und Links zu entfernen, die der „Terrorunterstützung“ dienten. Dem sei nicht nachgekommen worden.“ Was ist das Resultat? Der Normalbürger weiß in der Regel nicht, welche der vielen Zeitungen und Sender wirklich frei berichten und welche nur das berichten, was der Staat will. Wenn man aus vielen Kanälen jahrelang nur das Beste über seine Führung und den Staat hört (weil alles Schlechte und Kritische ausgeblendet und verschwiegen wird), glaubt man es irgendwann. Man ist ohne sein Wissen manipuliert worden.
Erdoğan hat hier durchaus Vorbilder: Putin hat das in Russland gemacht und es so auf 80 % Zustimmung gebracht, Orban in Ungarn und das Dreigestirn Szydlo/Duda/Kaczynski in Polen versuchen dem im Ansatz nachzueifern. Am weitesten gebracht hat es diesbezüglich die Familie Kim in Nordkorea, die dort wirklich gottgleich verehrt wird, weil die Menschen keine andere Möglichkeit haben, als das zu glauben, was in den staatlichen Medien erzählt wird.
Fazit: Umso länger Erdoğan im Amt ist, umso einfacher wird bei Abwesenheit von kritischen Medien der Machterhalt für ihn.
Am Ende dieses Abschnittes noch etwas Statistisches. Die Türkischstämmigen sind zwar mit knapp 3 Millionen noch die mit Abstand größte Migrantengruppe in Deutschland, aber ihre Zahl stagniert, die der türkischstämmigen Ausländer nimmt sogar ab. Die Türken stellen mit jährlich 20.000-40.000 Personen die bei weitem größte Gruppe unter den jährlich Neueingebürgerten. In den letzten Jahren ist der Fortzug in die Türkei größer als der Zuzug von der Türkei. Gerade viele türkische Rentner verbringen ihren Lebensabend lieber in der Türkei als in Deutschland.
Von den aktuell rund 2,85 Millionen türkischstämmigen Mitbürgern haben übrigens rund 250.000 die doppelte Staatsbürgerschaft, rund 650.000 haben sich bisher einbürgern lassen, knapp 500.000 sind als Deutsche geboren und rund 1.480.000 besitzen nur die türkische Staatsbürgerschaft. Mit 43,2 Jahren ist das Durchschnittsalter der türkischstämmigen Ausländer übrigens weit überdurchschnittlich hoch.

Städtepartnerschaften in der heutigen Zeit
Städtepartnerschaften werden in der Regel von 2 ähnlichen Kommunen eingegangen mit dem Ziel, sich kulturell und wirtschaftlich auszutauschen. Je nach Engagement der Städte werden oftmals jährliche Besuche organisiert. Die Initiative hierzu geht entweder von der Stadtverwaltung, gelegentlich auch von Vereinen aus. Die Besucher sollen in der Regel bei privaten Gastgebern untergebracht werden, was das Zusammenwachsen der Völker fördert. Nehmen Vereine an einem solchen Austausch teil, so werden nicht selten gemeinsame Veranstaltungen, etwa Wettkämpfe oder Konzerte, veranstaltet. Städtepartnerschaften sind ein Instrument der Völkerverständigung und können auch Demokratisierungsprozesse fördern im Sinne einer kommunalen Außenpolitik. Daher existieren z.B. besonders viele Städtepartnerschaften mit Polen. In den 50er bis 90er Jahren, als die allermeisten der heute bestehenden Städtepartnerschaften gegründet wurden, hatte der Aufbau einer Städtepartnerschaft meist berechtigte Gründe. Entweder wurden bestehende kulturelle Beziehungen dadurch gefestigt (so existieren viele Städtepartnerschaften dort, wo die Schulen beider Städte vorher eine Schulpartnerschaft in Leben gerufen haben) oder die Völkerverständigung stand im Vordergrund. Im Jahre 2017 wird es schon schwieriger, gute Gründe zu finden, neue Partnerschaften zu gründen, denn in unserer weitgehend offenen und medial geprägten Welt braucht es keine Städtepartnerschaften mehr zur Erreichung der genannten Ziele. Der allergrößte Teil der Bevölkerung hat keine oder nur minimale Beziehungen zu den Partnerstädten, sie spielen im Leben der meisten Mitbürger keinerlei Rolle. Daher wird es für viele Kommunen immer schwieriger, die Beziehungen zu ihren Partnerkommunen aufrecht zu erhalten. So manche Städtepartnerschaft besteht nur noch auf dem Papier. Es muss daher die generelle Frage erlaubt sein: sind Städtepartnerschaften noch zeitgemäß?
Auch in Rödermark werden die 3 bestehenden Partnerschaften nur von wenigen Personen gepflegt. Man kann den Eindruck gewinnen – ich bin mir sicher, hier werden mir einige widersprechen – die Partnerschaften sind für viele mittlerweile mehr Pflichtaufgaben denn Herzensangelegenheit.
Städtepartnerschaften leben von den regelmäßigen gegenseitigen Besuchen. Dazu ist es von Vorteil, wenn man sich in Auto, Bus oder Zug setzen kann und in einigen Stunden vor Ort ist. Wenn man erst eine mehrstündige Flugreise auf sich nehmen muss, wird dieser wesentliche Punkt kostspieliger und schwieriger.
Städtepartnerschaften binden immer auch Verwaltungspersonal und sind nicht kostenlos zu haben. Ich schätze die Kosten pro Partnerstadt und Jahr auf mindestens 5.000 €.

Aus all diesen Gründen bin ich der Meinung, Rödermark hat mit seinen 3 Partnerstädten genug zu tun. Man sollte lieber versuchen, diese Partnerschaften zu pflegen und mit mehr Leben zu füllen, als eine weitere Partnerschaft einzugehen. Ich lehne daher eine neue Städtepartnerschaft generell ab. Für die Ablehnung einer offiziellen Partnerschaft mit Hekimhan gibt es aber noch andere, spezifischere Gründe, die ich im übernächsten Kapitel erläutern möchte.

Die Verbindung von Rödermark und Hekimhan
Als in den 60er Jahren im Zuge der Anwerbungswelle von Gastarbeitern auch viele Türken nach Deutschland kamen, haben diese naturgemäß versucht, möglichst nicht alleine irgendwo in einem fremden Land zu sein. Um im Leben neben der Arbeit nicht zu verkümmern, wollte man in der Nähe von Bekannten oder anderen Familienmitgliedern wohnen. So kam es überall im Land zu Clusterbildungen. In Rödermark ist dies die Region Hekimhan in der Provinz Malatya in Südostanatolien, aus der viele in Rödermark heimische Großfamilien ursprünglich herkamen. Hekimhan ist eine Kleinstadt mit knapp 8.000 Einwohnern, im gesamten Kreis wohnen auf einer Fläche fast sechsmal so groß wie der Kreis Offenbach lediglich rund 25.000 Menschen. Nach meinem Kenntnisstand haben über 200 Menschen aus Rödermark dort ihre Wurzeln. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich die Heimatvereine der im Ausland lebenden Hekimhaner und Kozderer (eine kleine Nachbargemeinde) in Rödermark gegründet und hier ihr Zentrum haben. Zwischen Rödermark und Hekimhan besteht also unzweifelhaft eine starke Verbindung. Folgerichtig ist auch nichts daran auszusetzen, wenn eine Delegation aus Rödermark Hekimhan besucht. Beim ersten Besuch war noch kaum Infrastruktur vorhanden, so dass eine mögliche Städtepartnerschaft selbst von Bürgermeister Roland Kern als unrealistisch angesehen wurde. Ende 2014 beschloss dann der Gemeinderat von Hekimhan, eine Städtepartnerschaft mit Rödermark anzustreben. Im Februar 2015 erreichte Bürgermeister Kern ein entsprechendes Schreiben mit der Bitte, dies aus Rödermärker Sicht zu prüfen. Im Frühjahr 2016 fuhr (bzw. flog) dann eine 10-köpfige Rödermärker Delegation nach Hekimhan und war sichtlich angetan von den Fortschritten in der Region. Die nun vorhandene Infrastruktur stünde einer Partnerschaft nicht im Wege. Kern berichte zwar ausführlich von der Reise, sprach aber bisher keine offizielle Empfehlung aus. Im Gegenteil, er versuchte die Diskussion über das Thema unter dem Teppich zu halten. Das Thema wurde lediglich einige Male im nicht-öffentlichen Ältestenrat angesprochen, eine öffentliche Diskussion wurde bisher vermieden. Selbst in der eigens gegründeten Kommission „Städtepartnerschaften“ kam das Thema Hekimhan noch nicht auf die Tagesordnung.
Aus meiner Sicht und der Sicht meiner Partei ist es 27 Monate nach Erhalt des Gesuchs aus Hekimhan an der Zeit, sich über eine Antwort Gedanken zu machen. Dies gebietet schon die Höflichkeit gegenüber den türkischen Gemeindevertretern. Die FDP hat sich dazu in den letzten Monaten und Jahren eine Meinung gebildet. Daher fanden wir es an der Zeit, dieses Thema an die Öffentlichkeit zu bringen und nicht länger im Untergrund schwelen zu lassen.

Ein deutliches Zeichen setzen – Nein zu einer offiziellen Städtepartnerschaft
Wie bereits gesagt sehe ich persönlich keinen großen Nutzen in einer weiteren Städtepartnerschaft und würde deshalb jede Initiative in diese Richtung – egal aus welchem Land sie kommt – zurzeit ablehnen.
Im Falle der Türkei kommen einige Besonderheiten hinzu. Seit dem Beschluss des Gemeinderates von Hekimhan hat sich die Türkei in rasanten Schritten hin zum schlechteren entwickelt. Demokratische Grundrechte werden mit Füßen getreten, die Rechtsstaatlichkeit darf angezweifelt werden. Auch ohne Verfassungsreform ist die Türkei schon fast bei einer Präsidialdiktatur angekommen.
Ein Beispiel: „Ich möchte der ganzen Welt ganz offen sagen, die Medien sind nirgendwo so frei wie in der Türkei“, erklärt Präsident Erdoğan im Brustton der Überzeugung. „Aber wir können jene, die sich an strafbaren Handlungen beteiligen, oder Terrororganisationen wie PKK oder die Gülen-Bewegung offen unterstützen, nicht für unschuldig erklären. Wir werden entschieden gegen jene vorgehen, die unter dem Deckmantel eines Medienvertreters für Terrororganisationen oder als Agent für ausländische Geheimdienste arbeiten.“ Die Realität: 156 Medienhäuser sind seit dem gescheiterten Putsch im Juli vergangenen Jahres geschlossen worden; 2500 Medienschaffende verloren ihren Job; rund 150 Journalisten sitzen im Gefängnis.
Sicherlich können die Menschen in Hekimhan nicht für die Handlungen ihres Präsidenten haftbar gemacht werden, man muss ihnen sogar zugute halten, dass sie mehrheitlich das Verfassungsreferendum nicht unterstützt haben – anders als Gesamtprovinz Malatya, die zu 70 % für Erdoğan stimmte.
Es tut mir leid, aber hier muss ich die Hekimhaner mit in die Kollektivhaft nehmen. Ich kann nicht so tun, als ob in der Türkei alles in Ordnung ist und jetzt eine Städtepartnerschaft beginnen. Das würde in meinen Augen einem Wegsehen gleichkommen. Und ich will nicht wegsehen. Ich will mit dieser Türkei, mit dieser Führung, so wenig wie möglich zu tun haben. Es ist nicht die Zeit, wo Deutschland oder ein kleiner Teil davon aktiv einen Schritt auf die Türkei zugehen muss. Es ist vielmehr die Zeit zu sagen: „Wenn ihr was mit uns zu tun haben wollt, dann müsst ihr euch besinnen und ändern, dann müsst ihr euren Präsidenten loswerden und eure Demokratie wieder zurückgewinnen“. Das kann Hekimhan sicher nicht alleine bewerkstelligen. Dann muss man eben warten. Jetzt ist definitiv nicht die Zeit für eine neue Städtepartnerschaft mit einer türkischen Stadt. Jetzt ist nicht die Zeit für ein „Jetzt erst recht“.
Dabei muss eines ganz klar sein: die Absage einer offiziellen Städtepartnerschaft ist keine Absage an die Menschen. Es spricht überhaupt nichts dagegen, den begonnenen freundschaftlichen Kontakt mit den Gemeinde- und Kreisvertretern aus Hekimhan aufrechtzuerhalten oder gar zu vertiefen. Man kann sozusagen gemeinsam auf bessere Zeiten warten. Ich sehe keinerlei zwingende Notwendigkeit, eine offizielle Städtepartnerschaft aufzubauen – schon gar nicht jetzt. Es gibt auch andere Wege des freundschaftlichen Miteinanders.
Zum Ende noch zwei weitere Argumente. Eine Städtepartnerschaft lebt von gegenseitigen Besuchen. Würden Sie derzeit als offizieller Vertreter einer Gebietskörperschaft gerne in die Türkei reisen? Ich nicht. Natürlich würde man mit seinen Gastgebern auch über die derzeitige Situation sprechen und natürlich würde ich klar meine Meinung äußern. Zum einen ist nicht klar, ob ich nach der Veröffentlichung eines solchen Statements überhaupt in die Türkei einreisen dürfte, zum anderen habe ich wirklich Zweifel, ob ich nach öffentlich geäußerter Kritik an Erdoğan und seinem System aus dem Land auch wie geplant wieder ausreisen dürfte. Diese Zweifel habe ich in Österreich (Saalfelden), Italien (Tramin) und Ungarn (Bodajk) nicht. Ob diese Zweifel gerechtfertigt sind oder nicht, sei dahingestellt, allein dass sie da sind reicht, um nicht in die Türkei zu fahren.
Man muss dazu auch folgendes Wissen: Die Türkei ist zentralistisch aufgebaut. Die Gouverneure der Provinzen werden nicht wie unsere Ministerpräsidenten gewählt, sondern vom Innenminister bestimmt und vom Präsidenten ernannt. Auch die Kaymakam, die Landräte, werden nicht gewählt, sondern vom Innenminister eingesetzt. Die Bürgermeister werden zwar vom Volk gewählt, haben aber keine eigenen Einnahmequellen, so dass ihre politische Autonomie sehr eingeschränkt ist und vom Goodwill der Landräte und Gouverneure abhängt. Seit dem Putschversuch wurden mehrere Hundert gewählte Bürgermeister abgesetzt, weil sie die PKK oder die Gülem-Bewegung unterstützten – also in der falschen Partei waren. Was garantiert uns, dass die Personen, die Rödermark 2016 noch gewogen waren, nicht auch ausgetauscht werden? Diese mögliche Willkür halte ich für weit problematischer als das Risiko des Wechsels der Ansprechperson durch Wahlen.
Ein letztes Argument: Die bereits seit 1971 bestehende Städtepartnerschaft zwischen Darmstadt und der südwesttürkischen Großstadt Bursa wird wegen des Konflikts um Wahlkampfauftritte von türkischen Politikern in Deutschland von der türkischen Seite bis auf Weiteres ausgesetzt. Kein Einzelfall. Türkische Städte kündigen aus rein politischen Gründen ein seit Jahrzehnten bestehende Städtepartnerschaft auf und das gallische Dorf Rödermark will parallel dazu eine neue Städtepartnerschaft begründen. Sorry, aber dafür fehlt mir das Verständnis. Nicht mit mir!

Die Reaktion der Vereine und des Magistrates auf unseren Antrag
Am Montag Morgen haben wir unseren Antrag eingebracht, am Dienstag und Donnerstag hat die regionale Presse über unsere Initiative berichtet und am Freitag wurde uns von der Stadt ein 1 ½-seitiges Word-Dokument zugestellt, ohne Briefkopf, völlig unformatiert und ohne namentliche Unterzeichner. Absender: der Deutsch Türkische Freundschaftsverein Rödermark e.V., der Ausländerbeirat der Stadt Rödermark, der Hekimhaner Verein in Europa e.V. und der Kozdere Verein in Europa e.V. Wir haben zwar erwartet, dass die Unterzeichner eine türkische Partnerstadt begrüßen würden und sich damit gegen unsere Initiative aussprechen. Eine so schnelle Reaktion hat uns allerdings schon verwundert. Stellt sich die Frage, wer tatsächlich die Initiative zu diesem Schreiben geleistet hat: einer der Vereine oder nicht doch der Bürgermeister selbst?
In diesem Brief werden schwere Vorwürfe gegen unseren Antrag erhoben. Wörtlich heißt es z.B.: „Dieser Antrag wird, wenn angenommen, die guten Beziehungen von Menschen in Rödermark stark negativ beeinflussen.“ Ja warum denn das? Kann mir irgendjemand irgendeinen Grund für so eine Behauptung nennen? So eine Aussage ist einfach nur dumm und gefährlich. Keiner der FDP hat je behauptet, mit türkischstämmigen Menschen nichts mehr zu tun haben zu wollen, warum sollte sich auch an der Beziehung zu einzelnen Menschen etwas ändern? Die Behauptung der Vereine kann allerdings sehr wohl als Aufforderung an die Migranten verstanden werden, bei Ablehnung einer Städtepartnerschaft mit Hekimhan auch die Ablehner abzulehnen.
In dem Brief wird behauptet, wir hätten unseren Antrag mit dem Referendum begründet. Auch das ist nicht richtig. Das Ergebnis des Referendums ist nur das i-Tüpfelchen, das letztendlich dafür gesorgt hat, jetzt diesen Antrag zu stellen und die zögerliche Haltung der Stadt zu beenden. Die Gründe sind, wie in diesem Blog erläutert, viel vielschichtiger. Ein Nein zu einer Städtepartnerschaft als eine Abstrafung der Hekimhaner Bevölkerung zu bezeichnen, ist schon ein starkes Stück, ein völlig überzogener und haltloser Vorwurf. Ich Maße mir nicht an, irgendjemanden abzustrafen, ich möchte nur glaubwürdig bleiben und in den Spiegel gucken können. Was ist daran eine Strafe für die Bevölkerung, wenn Hekimhan wie bisher auch kein Verschwisterungsschild am Ortseingang stehen hat? Es wird sich weder für die Hekimhaner noch für die Rödermärker aus Hekimhan irgendetwas ändern. Was soll also diese Panikmache?
Das Schreiben endet mit dem Satz: „Wir dürfen als Demokraten die Demokraten in Hekimhan nicht im Stich lassen, sondern sie noch mehr unterstützen“. Und was ist mit den Demokraten in Istanbul und Izmir, mit den Demokraten in Moskau und auf der Krim, in Aleppo, Teheran und Pjöngjang (Gut, dort wird man wohl wenige finden…)? Muss Rödermark die auch alle unterstützen? Rödermark kann nicht die Welt retten und sollte es auch gar nicht erst versuchen. Dazu sind die Probleme vor Ort schon groß genug. In meinen Augen lasse ich niemanden im Stich, nur weil ich der Anfrage des Gemeinderates von Hekimhan eine Absage erteile. In meinen Augen unterstütze ich die Demokraten in Hekimhan vielmehr dadurch, dass ich klare Kante zeige und der undemokratischen Führung des Landes klar mache, dass sie sich nicht alles erlauben kann, dass nicht alle Taten von Erdogan und Konsorten ohne Konsequenzen bleiben. Und wenn die Konsequenz nur ist, dass Rödermark keine neue Städtepartnerschaft eingeht.

Dr. Rüdiger Werner
Rödermark, 2. Mai 2017
Anmerkung: Dieser Blog wurde vor der Diskussion in den Ausschüssen und der Abstimmung in der Stadtverordnetenversammlung verfasst.