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Bürgermeisterwahlkampf Rödermark

So langsam nimmt er Fahrt auf, der Bürgermeisterwahlkampf in Rödermark. Vor allem die CDU mit ihrem kürzlich gekürtem Kandidaten Carsten Helfmann schießt nun aus allen Rohren. Und das in so arroganter Weise, dass ich das einfach kommentieren muss.
Bitte erwarten Sie nicht, dass die nachfolgende Meinung vollkommen objektiv und neutral ist. Natürlich bin ich im wahrsten Sinne des Wortes parteiisch. Ich bin Stadtverordneter der FDP, die FDP hat mit Tobias Kruger einen eigenen, sehr guten Kandidaten für das Bürgermeisteramt – völlig neutral kann ich nicht sein. Was meine Argumente aber nicht weniger richtig macht. Ich werde mich bemühen, so objektiv und fair wie möglich zu sein.

Die ausgeschiedenen Kandidaten
Da ist zu allererst Jörg Rotter, dem das Schicksal übel mitgespielt hat. Er war der natürliche Kandidat der CDU, das Bürgermeisteramt war sein Karriereziel, die ganze CDU hat über Jahre hinweg daraufhin gearbeitet, dass er nach der Ära Roland Kern übernimmt. Das Schicksal wollte es anders, es kam eine lebensbedrohende Krankheit, die ihre Ursache eventuell auch in der hohen Erwartungshaltung an ihn hatte, und der Familienmensch Jörg Rotter hat richtig entschieden: nichts ist wichtiger als die Familie und die eigene Gesundheit, das Leben geht auch ohne Bürgermeisteramt weiter. Respekt und Hochachtung vor dieser Entscheidung!
Jörg Rotter hatte gute Chancen auf das Amt, da er neben Roland Kern der einzige Rödermärker Kommunalpolitiker ist, der sich eine quasi flächendeckende Bekanntheit erarbeitet hat. Allerdings polarisiert er auch. Die einen mögen ihn, weil er ein netter, kommunikativer Kerl ist, die anderen halten ihn für überschätzt und teilweise für unfähig.
So weit würde ich nicht gehen, allerdings halte auch ich ihn aus verschiedenen Gründen nicht für geeignet für das Amt des Bürgermeisters. Das habe ich bei der Wahl zum Ersten Stadtrat schon angedeutet, das weiß er auch. Eins muss man ihm allerdings zugestehen. Er ist ein echter Rödermärker, hier aufgewachsen und verwurzelt, er kennt und liebt seine Heimatstadt. Und er ist in seinen politischen Positionen nicht verkehrt, ist gemäßigt, steht in der Mitte des politischen Spektrums. Bei ihm hätten weniger Bürger Angst um ihre Heimat gehabt wie bei seinem Nachfolger.

Mit Karl Schäfer
hatte die AL/die Grünen einen Kandidaten nominiert, den viele nicht auf der Rechnung hatten, der aber nach kurzem Überlegen der bestmögliche Kandidat aus ihren Reihen war. Erfolgreich im Beruf, eine beeindruckende Vita, ausreichend politische Erfahrung, ruhig und dennoch bestimmt in seiner Art – ein starker Kandidat. Das mussten wir neidlos anerkennen. Allerdings auch ein relativ ruhiger Kandidat mit einem recht bescheidenem Bekanntheitsgrad in Rödermark. Dennoch mit Sicherheit der aussichtsreichste Gegenkandidat zu Jörg Rotter. Und dann in der letzten Woche nach 4 Monaten Wahlkampf völlig unerwartet für alle Beteiligten der Rückzug aus persönlichen Gründen. Ob diese darin lagen, die Belastungen einer Kandidatur unterschätzt zu haben, liegt im Reich der Spekulation. Auf jeden Fall bedauern viele Rödermärker Bürger den Rückzug von Karl Schäfer, denn für sie war eine wirklich wählbare Alternative. Für die Kollegen von der AL/die Grünen wahrlich keine einfache Situation. Sollte es ihnen gelingen, einen neuen Kandidaten/eine neue Kandidatin zu finden, wäre allen klar, dass dies nur die 2. Wahl wäre. Die Chancen der Grünen, das Bürgermeisteramt zu behalten, sind nach diesem Rückzug auf ein Minimum gesunken.

Der 2-Jahreskandidat: Samuel Dieckmann
Eines vorweg: Ich mag Samuel Dieckmann und komme persönlich mit ihm prima klar. Aber eine echte Chance auf das Bürgermeisteramt hat er meiner Meinung nach nicht. Das liegt sowohl an ihm als auch an seiner Partei. SPD und Rödermark – das passt nicht. In Rödermark ist die SPD seit Jahren schon keine Volkspartei mehr, sondern eine Splitterpartei. Deutlich weniger als 20 % trotz einer ausgezeichneten Pressearbeit – selbst die FDP war im letzten Jahrzehnt in Rödermark oft stärker als die SPD. Der SPD fehlt auch ein wenig die Anbindung an die anderen Parteien, sie steht oftmals ziemlich alleine da. Eine Koalition mit der SPD ist für die anderen Fraktionen in der Regel die letzte Option. Wie will man unter diesen Voraussetzungen von 16 % auf über 50 % Unterstützung kommen?
An der Mühe und den Aufwand, den die SPD und Samuel Dieckmann betreiben, liegt es sicherlich nicht. Sein Wahlkampf ist professionell, er gibt sich alle Mühe und trotzdem wird er von vielen nur belächelt. Ein Grund ist sicherlich auch seine Vita. Ein Pastor, der erst seit kurzem in Rödermark wohnt und keine politische Erfahrung hat. Er kennt die Geschichte und die Gepflogenheiten in Rödermark nicht, was zur Folge hatte, dass er in seinem ersten Jahr als Kandidat fast jedes Fettnäppchen zielsicher traf. Und das hängt nach. Einem nicht-einheimischen Politikneuling mit pastoralem Auftreten traut man das Bürgermeisteramt nicht zu. Bei allem Einsatz und aller Sympathie – das wird nichts, Samuel!

Der Auswärtige: Carsten Helfmann und der Coup der CDU
Kommen wir zurück zur CDU. Nach dem Verzicht von Jörg Rotter kündigte die Ortsvorsitzende Patricia Lips in der CDU-typischen Arroganz an, bald einen Kandidaten zu präsentieren, „der bei weitem stärker ist als alle bisherigen Bewerber“. Dieser Satz ist vor Arroganz kaum noch zu toppen und erfüllt fast den Tatbestand einer Beleidigung und Rufschädigung. Wie ich oben erklärt habe und später noch aufzeigen werde, sind die 3 anderen Bewerber alles andere als schwach. Es sind/waren 3 gute und würdige Bewerber, die diesen Ausspruch nicht verdient haben. Bei weitem stärker als der Direktor des Amtsgerichts Darmstadt – da hätte die CDU schon mit einem Ministerpräsidenten oder der Bundeskanzlerin aufwarten müssen. Bei allem Respekt vor Carsten Helfmann – diesen Worten der Vorsitzenden kann er nicht gerecht werden, damit hat sie ihrem Kandidaten keinen Gefallen getan!
Und es nicht der einzige Aussetzer der CDU-Spitze. Zum einen ist es so schon für die meisten Bürger schwer zu verstehen, warum die mitgliederstärkste Partei in Rödermark nicht in der Lage ist, einen Kandidaten aus ihren Reihen zu finden. Aber dann noch herzugehen und zu sagen, wir haben Carsten Helfmann auserwählt, weil er eine besondere wirtschaftliche Kompetenz aufweist, gleicht einem Blattschuss für die eigenen Leute. Denn damit wird indirekt, aber doch deutlich gesagt, dass in der CDU Rödermark keine entsprechende wirtschaftliche Kompetenz vorhanden ist. Lieber Dieter, lieber Stefan, lieber Jochen, lieber Michael, lieber Ralph, liebe anderen CDU-Kolleginnen und Kollegen: Hiermit widerspreche ich eurer Parteispitze deutlich. Es gibt sehr wohl auch in der CDU Rödermark wirtschaftliche Kompetenz, da hätte es keines Eppertshäuser bedurft.
Eigentlich müsste die größte Fraktion im Stadtparlament, die seit 14 Jahren in Rödermark ununterbrochen an der Macht ist, ja die Kennzahlen der Kommune kennen. Tut sie aber nicht. Da werden kurz mal ein paar Zahlen zur Gewerbesteuer beim Kämmerer abgefragt, um daraus eine Geschichte zu stricken, die den eigenen Kandidaten gut dastehen lässt. Während in Eppertshausen also die Gewerbesteuereinnahmen unter Carsten Helfmann gestiegen sind, sind sie in Rödermark gesunken, von 280 € pro Einwohner auf 275 €. So steht es in einer Pressemitteilung der CDU. Liebe CDU, ist euch das nicht ein klein wenig komisch vorgekommen? War es nicht euer Kämmerer Alexander Sturm, der bei den Maßnahmen zur Verringerung des Haushaltsdefizites eine jährliche Steigerung der Gewerbesteuereinnahmen um 400.000 € annahm? Ward ihr nicht dabei, als der Kämmerer nach dem ersten Jahr frohlockte, dass das Ziel bei weitem übererfüllt werden konnte? Haben wir nicht – gegen die Stimmen der FDP wohlgemerkt – 2015 den Gewerbesteuerhebesatz deutlich erhöht? Und hat nicht Roland Kern bei der letzten Haushaltseinbringung deutlich gesagt, dass es auch der guten Konjunktur und der damit verbundenen Steigerung der jährlichen Gewerbesteuereinnahmen von knapp über 7 Millionen auf über 10 Millionen € in den letzten 5 Jahren zu verdanken ist, dass Rödermark wohl den Haushaltsausgleich schafft? Und dann behauptet ihr allen Ernstes, die Gewerbesteuereinnahmen wären gesunken? So viel zur wirtschaftlichen Kompetenz des Verfassers/der Verfasserin der Pressemitteilung, die u.a. in der Offenbach Post zu lesen war. Das ist wirklich schwach! Selbst Bürgermeister Roland Kern sah sich aufgrund dieser hanebüchenen Aussage zu einer Klarstellung genötigt.
Zur Aufklärung: Verglichen werden dabei von der CDU die Zahlen von 2006 mit denen von 2016. Nun ist das Jahr 2016 aber noch nicht zu Ende. Folglich hat der Kämmerer in seiner Antwort die Einnahmen bis zum 30. September benannt sowie die Schätzung für das Gesamtjahr. Teilt man nun die Gewerbesteuereinnahmen der ersten 9 Monate durch die Einwohnerzahl, kommt man genau auf die von der CDU genannten 275 € pro Kopf. Legt man aber die Schätzung für das Gesamtjahr zu Grunde, sind es stolze 367 € und damit mehr, als Eppertshausen aufzuweisen hat. Als Mathelehrer würde ich sagen: 6! Setzen!
Aber selbst wenn die Zahlen stimmen würden, wäre das eine Bankrotterklärung für die CDU. Denn wer war in diesen 10 Jahren immer die stärkste Kraft in der regierenden Koalition und stellte den Ersten Stadtrat: die CDU! Mit ihrem Presseartikel sagt die CDU nichts weiter als „wir waren 10 Jahre lang völlig unfähig, in Rödermark eine wirtschaftliche Entwicklung herbeizuführen, aber jetzt haben wir ja den Heilsbringer Carsten Helfmann“… Deutlicher kann man die eigene Unfähigkeit nicht ausdrücken. Arme CDU.

Aber kommen wir nun zum Kandidaten selber. Carsten Helfmann war eine echte Überraschung, die besonders uns von der FDP traf, hatten wir doch auch in öffentlichen Sitzungen den Bürgermeister von Eppertshausen des Öfteren als lobenswertes Beispiel genannt, wie man es richtig macht. Keine Frage, in Eppertshausen ist Carsten Helfmann ein guter Bürgermeister. Er hat für wirtschaftliche Entwicklung und Wachstum gesorgt, er hat die Finanzen in den Griff bekommen, er zeigte sich durchsetzungsstark, er hatte immer ein offenes Ohr für seine Bürger und hat gehandelt und nicht nur geredet. Dazu ist er jung, kommunikativ, vorzeigbar. Ein starker Kandidat?
Ja und Nein. Ja, wenn man nur diese Merkmale für sich stehend nimmt. Auch wenn ich ihn noch nicht persönlich kenne – das sind gute Voraussetzungen für ein Bürgermeisteramt. Und nein, weil Rödermark ist nicht Eppertshausen. Was sich banal anhört, ist ein durchaus schwerwiegendes Argument. Bei 6000 Einwohnern und 40 Verwaltungsmitarbeitern (Quelle: Offenbach Post) fällt es leicht, eine Sache zur Chefsache zu erklären. Bei 28.000 Einwohnern und 470 Mitarbeitern (man glaubt es kaum, aber die Stadt Rödermark hat tatsächlich 470 Angestellte) wird das schon deutlich schwieriger. Auf der einen Seite ein Zwei-Parteien-Parlament mit einer absoluten Mehrheit für seine CDU, auf der anderen Seite ein 5-Parteien-Parlament mit diversen Machtoptionen ohne absolute Mehrheit. Auf der einen Seite ein Dorf, dass über seine Flächenpolitik selbst entscheiden kann und zu Beginn seiner Amtsperiode Flächen hatte, die zur Bebauung einluden, auf der anderen Seite eine Stadt, die Teil eines Planungsverbandes ist und diese Flächen nur sehr eingeschränkt hat. Nur weil einer in einem Dorf mit einfachen Machtverhältnissen erfolgreich war, ist das noch kein Garant dafür, dass er es auch in einer Stadt mit schwierigeren Machtverhältnissen ist.
Aber was besonders erschwerend ist: Warum war Carsten Helfmann in Eppertshausen so erfolgreich? Weil er ein Eppertshäuser ist! Weil er dort verwurzelt ist, weil er sich in Eppertshausen auskennt. Weil er dort mit Herzblut arbeitet. Er ist eben kein Rödermärker, ist in Rödermark nicht verwurzelt, kennt sich hier nicht wirklich aus und ich nehme es ihm nicht ab, wenn er sagen würde, dass sein Herz für Rödermark schlägt. Das sieht bei unserem Kandidat Tobias Kruger dagegen ganz anders aus. All diese Voraussetzungen bringt er uneingeschränkt mit.
Ein Bürgermeister wird von den Bürgern direkt gewählt, er sollte seine Kommune kennen, sollte die Historie kennen, sollte wissen, wann welche Entscheidungen von wem getroffen wurden, er sollte die handelnden Personen auf Vereins- und Ehrenamtsebene kennen und einschätzen können. Stellen Sie sich vor, sie kommen mit einem Anliegen zum Bürgermeister und der muss – anders als Roland Kern oder auch Tobias Kruger – erst mit diversen Verwaltungsmitarbeitern Rücksprache halten, um ihnen eine einfache Antwort zu geben, weil er mit dem Sachverhalt in keinster Weise vertraut ist. Rödermark ist kein Daxunternehmen, wo man einen x-beliebigen Manager an die Spitze stellen kann. Natürlich geht es auch um Verwaltungswissen und Führungskompetenz, die ich Carsten Helfmann nicht absprechen möchte. Dennoch wäre mir ein Stadtoberhaupt lieber, dass mit Herzblut dabei ist, dass die Stadt und seine Bewohner kennt und für den das Bürgermeisteramt nicht nur ein Job ist, eine Zwischenstation auf der Karriereleiter in höhere Gefilde.

Der Underdog: Tobias Kruger
Bleibt als letztes der Kandidat der FDP Tobias Kruger. Hat denn ein Kandidat der FDP wirklich Chancen?, werden viele fragen. Hat er – wenn er selbst ein guter Kandidat ist, die Kandidaten der anderen Parteien jeder so seine Schwäche hat und er nicht gegen einen amtierenden Bürgermeister antreten muss. Alle Voraussetzungen sind in Rödermark gegeben, jetzt liegt es an ihm. Und ein Bürgermeister mit FDP-Parteibuch ist gar nicht mal ungewöhnlich. Da muss man nur nach Seligenstadt schauen. Wetzlar wurde 18 Jahre lang von einem FDP-Oberbürgermeister regiert, Bad Hersfeld seit 2 Amtszeiten, Dresden und Dessau haben aktuell einen FDP-Bürgermeister und auch viele kleinere Gemeinden haben einen liberalen an die Rathausspitze gewählt, so z.B. Steinbach am Taunus. Ein Exot wäre Tobias Kruger also nicht.
Was ihn von den anderen Kandidaten unterscheidet ist, dass er seit seinem 2. Lebensjahr in Rödermark wohnt, er hier aufgewachsen ist, sich auskennt. Für ihn ist Rödermark echte Heimat. Da er sich seit über 20 Jahren politisch engagiert ist er über die politischen Vorgänge der letzten Jahrzehnte auch bestens informiert. Er ist tatkräftig, eloquent und hat Visionen.
Ich habe Tobias Kruger als einen Teamplayer mit Führungsqualitäten kennengelernt. Ja, ich traue ihm das Amt des Rathauschefs zu. Er ist meinungsstark und hat klare Vorstellungen, wie er die Aufgaben angehen möchte. Ich bin überzeugt, er würde die Potenziale, die Rödermark bietet, besser nutzen als sein Amtsvorgänger.
Ein weiterer Vorteil ist, dass er im politischen Spektrum ziemlich in der Mitte steht, liberale Grundsätze vertritt und damit wahrscheinlich von allen Bewerbern die stärkste Integrationskraft nach allen Seiten hin besitzt. Auch das ist eine ganz wichtige Eigenschaft, wenn man keine eigene Mehrheit hinter sich stehen hat.
Natürlich hat er auch seine Schwächen, aber mit denen geht er offensiv um und arbeitet daran. Was ihm am meisten fehlt, ist die Bekanntheit. Was auch darin liegt, dass er kein Vereinsmeier ist und bei Feierlichkeiten eher zurückhaltend agiert. Die meisten Leute kennen ihn nicht persönlich, können ihn nicht einschätzen und haben deshalb keine Meinung über ihn. Das gilt es in den kommenden 3 Monaten zu ändern, dann hat auch der Underdog Tobias Kruger seine Chance.

Über einen möglichen Kandidaten von AL/Grüne
kann ich noch keine Beurteilung abgeben, weil er zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Blogs noch nicht benannt war.

Dr. Rüdiger Werner
1. November 2016