Rede vom Stadtverordneten der FDP, Dr. Rüdiger Werner, zur Magistratsvorlage „Benennung eines Weges in „Thälmann-Weg““ mit der Beschlussvorlage:
Die im Stadtteil Urberach gelegene Wegstrecke „Am Festplatz“ zwischen „Hallhüttenweg“ und „Am Schellbusch“ trägt die Bezeichnung „Thälmann-Weg“ nach dem 1944 vom NS-Regime ermordeten Ernst Thälmann. Die Hintergründe dieses Straßennamen werden durch die Anbringung von erläuternden Zusatzschildern verdeutlicht. Die Enthüllung der neuen Schilder soll im Rahmen einer Gedenkstunde anlässlich des 70. Todestages von Ernst Thälmann am 18. August 2014 erfolgen. Der „Thälmann-Weg“ wird als Rad- und Fußweg öffentlich gewidmet.
Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsitzende, werte Kollegen und Gäste,
ich finde es äußerst schade, dass Magistrat und Koalition hier eine Idee durchboxen wollen, die nicht den Konsens des gesamten Hauses findet und in großen Teilen der informierten Bürgerschaft auf Unverständnis stößt. Nach den außerordentlich intensiven und guten Beratungen im Fachausschuss hätten wir uns eine Änderung dieser Haltung gewünscht, ja vielleicht sogar erwartet.
Die Benennung einer Straße oder eines Weges nach einer historischen Person ist immer eine Ehrung dieser Person. Der normale Bürger kann den komplizierten Gedankengängen des Herrn Gensert nicht folgen. Er steht vor einem Straßenschild und denkt sich: Wenn eine Straße nach jemanden benannt wird, dann muss dass eine berühmte Person mit besonderer und anerkennenswerter Lebensleistung gewesen sein.
Nun ist kaum eine berühmte Person nur schwarz oder nur weiß. Neben der historisch zu würdigenden Leistung gibt es in der Regel immer auch die weniger schönen Seiten in der Vita einer Person. Man wird also bei fast allen Personen Kritiker finden, die aufgrund der einen oder anderen Tatsache dieser Person keine Ehrung zukommen lassen wollen. Dies gilt für Künstler ebenso wie für Wissenschaftler oder neuerdings Sportler. In besonderem Maße gilt es aber für politisch aktive Menschen. Dies ist ein besonders sensibler Bereich. Und es ist eigentlich Usus, keine Politiker mit anerkannt radikalen Meinungen besonders zu ehren, z.B. durch die Benennung einer Straße nach Ihnen.
Ernst Thälmann war ganz sicher ein Radikaler, der die Kommunistische Partei Deutschlands in der Weimarer Republik prägte wie kein anderer. Er war einer der Organisatoren des Hamburger Aufstands von 1923, war von 1925-1933 Vorsitzender der KPD, erklärte die SPD zum Klassenfeind, unterstützte Stalins Sozialfaschismusthese, wollte in Deutschland ein bolschewistisches System nach sowjetischen Vorbild etablieren und war in den 20er Jahren durchaus bereit, mit den Nationalsozialisten in verschiedenen Punkten zusammenzuarbeiten. Erst in den letzten Jahren distanzierte er sich von den Nazis und kämpfte politisch gegen die Machtergreifung Hitlers.
Aber die genauen Details seines Lebensweges spielen hier und heute bei unserer Entscheidung meiner Meinung nach gar keine entscheidende Rolle. Die Frage ist: Muss man ein Opfer, das selbst Täter war, ehren, nur weil es am Ende Opfer war? Nach meiner Auffassung reicht hier nur NS-Opfer gewesen zu sein nicht aus! Wir dürfen den Rest nicht ausblenden!
Ernst Thälmann wurde in der DDR als einer der Helden der Arbeiterklasse gefeiert, in fast jeder Ortschaft wurde etwas nach ihm benannt. Fast jedes Ostdeutsche Schulkind war einmal Thälmann-Pionier und damit Mitglied einer politischen Massenorganisation für Kinder. Begeistert waren davon die wenigsten, weshalb man im Osten auch nach der Wende in Tausenden Kommunen sehr schnell bis auf wenige Ausnahmen Straßenschilder mit Lenin, Stalin, Thälmann und Ulbricht entfernte und durch weniger verfängliche Namensgebungen ersetzte. Dort wird er bewusst entfernt und hier führen wir ihn wieder ein?
Auch im Westen gab es nach dem Krieg Straßenbenennungen nach Personen, die als Gegner des NS-Regimes dieses nicht überlebten, darunter auch der Kommunist Thälmann. Zum damaligen Zeitpunkt war die politische Ausrichtung Westdeutschlands noch relativ unklar und alles, was gegen den Nationalsozialismus sprach, war gesellschaftlich tragbar. Ja, auch in Urberach gab es deshalb eine Thälmann-Straße, zu dieser Zeit auch mit einer gewissen Berechtigung. Diese Berechtigung wurde 1977 als nicht mehr gegeben angesehen. Damals wurde die Straße durch eine bewusste Entscheidung des Gemeinderats umbenannt. Und das war gut so!
Nun gab es wohl bei der Enthüllung des neuen Straßenschildes Klausenerstraße eine kleine Gesprächsrunde, die den Namen Ernst Thälmann wieder ins Spiel brachte. Aus dieser kleinen Gesprächsrunde leitet der Magistrat nun den Auftrag ab, in Rödermark wieder einen Kommunistenführer zu ehren und will diese fixe Idee mit aller Macht, die er ja nun mal hat, durchsetzen. Ich kann das nicht nachvollziehen! Ich kann das beim besten Willen nicht verstehen!
Die FDP möchte nicht, dass in Rödermark Personen mit radikalen Ansichten geehrt werden. Genauso wenig wie wir eine Benennung nach einer NS-Größe wollen, wollen wir auch keine Erinnerung in dieser Form an Stalin, Ulbricht, Honecker oder eben Thälmann. Keiner in der FDP will das! Es gibt so viele Alternativen, es gibt so viele Künstler, Wissenschaftler, Entdecker, Erfinder, Philantropen oder auch demokratische Politiker, die von jedermann auf einem Straßenschild akzeptiert würden, aber nein, die Macht hat entschieden: es muss der Bolschewik und Antidemokrat Ernst Thälmann sein. Hier wird die durchaus lobenswerte Gedenkkultur in Rödermark maßlos überzogen. In meinen Augen ist es sogar eine Abwertung von anderen Opfern der NS-Diktator, von denen die allermeisten übrigens noch nicht auf Rödermärker Straßenschildern verewigt sind.
Wir als FDP lehnen diese Vorlage ganz entschieden ab, wir werden auch ganz sicher nicht an einer Gedenkveranstaltung für Ernst Thälmann teilnehmen und fordern unsere Kollegen von CDU und AL auf, sich in diesem Fall für ihr Gewissen und gegen den Fraktionszwang zu entscheiden und diese Vorlage ebenfalls abzulehnen. Vielen Dank!
Hier die Rede als .PDF Dokument.
Siehe auch
» Kein guter Namenspatron
» „Ernst Thälmann war ein gottloser Kommunist“ sagte ……
Der Stellungnahme der FDP ist nichts hinzuzufügen. Schändlich ist das Verhalten der CDU: Machte sie aus Machtgier („Koalitionsdisziplin“) mit – oder schlicht nur aus Unwissenheit und Dummheit??
Aber wer mit den GRÜNEN eine Koalition eingeht, muss wissen, dass es sich bei diesen häufig um ehemalige „K-Gruppen“-Kader handelt, die auf dem
„Marsch durch die Institutionen“ nicht nur die Medien und Lehrer-Kollegien und Parteien durchsetzt haben, sondern eben auch die Rasthäuser!
Bei den Wählern ist es Unwissenheit, bei der CDU
die gleiche Schande wie 1933 beim Mitmachen des „Zentrums“!
Am 12. Oktober 1923 übernahm die KPD das Finanz- und das Wirtschaftsministerium in Sachsen unter Ministerpräsident Erich Zeigner (SPD). Am 16. Oktober 1923 trat die KPD in die thüringische Landesregierung unter August Frölich (SPD) ein. Im Herbst 1923 wurde dann durch eine Notverordnung von Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD) die Maßnahme der Reichsexekution gegen die Länder Sachsen (29. Oktober) und Thüringen (6. November) angewandt, um die dort entstandenen linken Koalitionsregierungen aus Sozialdemokraten und Kommunisten abzusetzen. Ebert, der bereits im März 1919 den Befehl zum Einsatz der Reichswehr gegen die Arbeiterräte gab und dessen Anteil an der Ermordung von Rosa Luxenburg nicht ganz unstrittig ist.
Dies waren die Ereignisse die Grigori Jewsejewitsch Sinowjew mit seiner Sozialfaschismusthese in der Kommunistischen Internationalen den Rücken stärkten. Stalin hat diese These übernommen und Thälmann, als sein Schützling sah die Sache Anfangs ebenso. Leider unterschätzte Thälmann die Nationalsozialisten, wodurch er seine Inhaftierung 1933 begünstigte. Zu diesem Zeitpunkt war der KPD bewusst, dass sie Hitler nicht im Alleingang besiegen konnte und es gab wieder erste Annäherungen an die SPD. Im Übrigen konnte Thälmann unmöglich wissen, dass sich Ebert gegen den Rapallo Vertrag stemmte, womit Stalin ein persönliches Interesse an dem Streit zwischen der KPD und der SPD hatte. Der Rapallo Vertrag wurde übrigens von Walter Rathenau unterzeichnet, der Mitglied der DDP war. Und wer war erster Vorsitzender der DDP? Friedrich Naumann
Fazit: Thälmann war sicherlich nicht der in der DDR gelobte Heilsbringer, aber er war eine wichtige Person im Kampf gegen den Faschismus und als solches ist es legitim, einen Weg mit seinem Namen zu versehen.
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